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1806, welche unter Zustimmung aller Agnaten erlassen worden waren, sowie nach
der Deklaration vom 4. October 1817, welche für einen Theil der badischen Ver-
fassungsurkunde erklärt worden war, folgte nun der Erstgeborne aus der zwei-
ten Ehe Carl Friedrichs, Grossherzog Leopold, von 1830 — 1852.
Das hausgesetzlich und verfassungsmässig begründete Successionsrecht dieser
jüngern Linie fand ausserdem eine feste Stütze in der völkerrechtlichen Anerken-
nung aller Grossmächte !), so dass die schon vor der Thronbesteigung Leopolds
erhobenen Ansprüche der Krone Bayern auf gewisse Gebietstheile des Grossherzog-
thums Baden ohne Erfolg blieben 2). Die Untheilbarkeit des Grossherzog-
thums Baden wurde als ein wichtiges völkerrechtliches Prinzip, als ein Postulat
des europäischen Staatensystems, aufrecht erhalten und anerkannt.
1) Frankfurter Territorialrecess vom 20. Juli 1819 Art. IX und X lauten: „I’elat de pos-
session du grand-duche, tel ii existe aujourd’hul, est formellement reconnu ... Le droit de
succession €tabli dans le grand-duch6 de Bade en fareur des comtes de Hochberg, file de [eu le
grand-duc Charles Frederic, est reconnu pour et au nom des puissances contractanles.‘
Die Ansprüche der Krone Bayern an Landestheile des Grossherzogtihums Baden gründe-
ten sich auf das ehemalige staalsrechtliche Verhältniss der Grafschaft Sponheim. Wie oben er-
wähnt, besassen Baden und Pfalz, kraft des beinheimer Entscheides vom 19. März 1425, die Graf-
schaft Sponheim in ungetrennter Gemeinschaft und mit wechselseitigem Successions-
recht. Auch bei den verschiedenen Theilungen wurde letzteres vorbehalten. Nach dem im
Jahre 1799 erfolgten Tode des Kurfürsten Carl Theodor kamen sänmtliche pfälzische Antheile
auf seinen nächsten Stommeserben, den Pfalzgrafen und nachherigen König Maximilien von
Bayern, und wurden auch von diesem bis zum lüneviller Frieden besessen. Der badische An-
heil kam bei der letzten Landestheilung 1536 an die baden-badische Linie, welche denselben
auch bis zu ihrem 1771 erfolgten Aussterben in Besitz hatte. Zu dieser Zeit ging er mit der ge-
sarnmten baden-badischen Markgrafschaft auf die baden-durlachsche Linie über, die ihn auch inne
hatte, bis durch den lüneviller Frieden das linke Rheinufer verloren ging. Baden wie Beyern
wurden für ihre Verluste reichlich entschädigt. Da aber die bis dalıin bestehenden Successions-
rechte durch $. 45 des Reichsdeputationshauptschlusses ausdrücklich auf die Entschädigungstande,
als Surrogate der abgetretenen Landestheile, übertragen worden waren, so behauplete Bayern, dass
sein Successionsrecht auf ein der Grafschaft Sponheim entsprechendes Surrogat noch fortbestehe.
Es deducirte, die Surrogate müssten nach dem Verhältniss der Grösse der Entschädigung, welche
Baden für seinen Antheil an Sponheim erlialten habe, bestimmt werden. Bayern „erkenne zwar
die Erbfolge der jüngern Linie des grossherzoglichen Hauses in das Grossherzogthum, aber nicht
in die Surrogate an; diese fielen mit den Absterben des Mannsstanıms Carl Friedrichs aus er-
ster Ehe sogleich an Bayern“.
Diese Ansprüche machte Bayern in einer der grossherzoglichen Regierung am 3. Juli 1827
übergebenen Note und einer derselben anliegenden Denkschrift geltend: „Memoire Bavarois remis
officiellenient au ministere Badois le 3. Juillet 1827 par M. le Comt& de Reigersberg, avec une
note d’accompagnement.“ Der spezielle Titel davon ist: „Me&meire instructif sur l’ancien Comte
de Sponheim et les droits de succession evenluelle de Ja Maison Royale de Barviere dans les ter-
res subrogdes 4 la parlie Badoise de ce Comle. Fait ä Munic au mois de Mai 1827.“
Es erfolgte in diesem 8. g. sponhcimschen Surrogatstreit eine starke Deduktionen-Litteratur,
worüber eine eigene Schrift: „Ueberblick der Controvers- und Wechselschriften über den An-
spruch der Krone Bayern auf demnächslige Succession in eineın bedeutenden Theil des Grossher-
zogtbams Baden. Giessen 1828“ Auskunft giebt. Die klarste Widerlegung der bayerschen An-
sprüche enthält die Schrift: „Ueber die Ansprüche der Krone Bayern an Landestlieile des Gross-
berzogthums Baden. Mannheim 1827.