Dazu kam noch, dass man in Wien diejenigen Stücke Landes in Bayern und
in der Oberpfalz, welche das Haus Bayern theils vom Reiche, theils von der Krone
Böhmen zu Lehen empfangen hatte, jetzt als eröffnete Lehen ansah, zu deren
Besitznahmc also theils Joseph als Kaiser, theils Maria Theresia als Königin von
Böhmen sich berechtigt hielt.
Obgleich die österreichischen Ansprüche mit den Grundsätzen des deutschen
Staats- und Fürstenrechtes in ofienbareın Widerspruch standen’), so war doch
Carl Theodor, aus persönlichen Gründen, geneigt, dieselben anzuerkennen. In den-
selben Tagen, wo er sein neues Besitzthum persönlich angetreten, hatte sein Ge-
sandter zu Wien einen Vertrag unterzeichnet am 3. Januar 1778, welcher das We-
sentlichste der österreichischen Ansprüche bewilligte. Eine solche Abtretung war
aber ungültig, wenn die Agnaten Carl Theodors ihre Zustimmung versagten. König
Friedrich U. von Preussen erinuthigte daher den Herzog Carl August von Zwei-
brücken zum Widerspruch gegen den Vertrag, welchen Carl Theodor bereits abge-
schlossen hatte, und ergriff die Waffen für die Vertheidigung der agnatischen Rechte
und die Integrität Bayerns.
Auch meldete sich Kursachsen mit grossen Forderungen wegen der Mobiliar-
und Allodialverlassenschaft, welche des letzten bayerischen Kurfürsten Schwester,
die damals verwittwete Kurfürstin von Sachsen, für sich behauptete, aber ihrem
Sohne, dem Kurfürsten von Sachsen, abgetreten hatte. Auch hoffte jetzt der Her-
zog von Mecklenburg, eine seinem Hause bereits 1502 ertheilte und 1647 uner-
füllt gebliebene Anwartschaft auf die Landgrafschaft Leuchtenberg geltend machen
zu können. Die drei Höfe von Zweibrücken, Sachsen und Mecklenburg sahen in
dem König von Preussen den Beschützer ihrer Rechte.
Nach lebhaften, aber unfruchtbaren Verhandlungen zwischen den Höfen von
Berlin und Wien kam es 1778 zu dem kurzen und unblutigen bayerischen Erb-
) Die bündigste Widerlegung der österreichischen Ansprüche ist in den 10 Sätzen der
zweibrückenschen Denkschrift enthalten
Satz: Die pfälzischen Successions - Rechte auf die baierischen Lande gründen sich auf
die gemeinsame Abstanımung der ausgegangenen wilhelminischen und der noch blühenden rudol-
pliinischen Linie von Otto dem erlauchten Pfalzgrafen bei Rhein und Herzog in Baiern, und a
die unter dessen Nachkommen errichlete Haus - und Familien - Verträ
2. Satz: Durch den Familien - Vertrag von Paria vom Jahre “1329 ist ein wahres Fidei-
commiss auf die rechtsbeständigste Art zwischen den beiden Hauptästen des pfalz - baierischen
Hauses eingeführet worden.
3. Die Theilungen der Herzoge von Baiern unter sich sind keine Todiheilungen
gewesen, sondern es ist die wechselweise Erbfolge allezeit ausbedungen worden
atlz: Die pfalz-baierische Stamm - und Haus-Verträge gehen auf“ "Desitzende und ge-
winnende Lande.
alz: Der alle modus succedendi der Herzoge in Baiern in den ausgestorbenen im
Herzogihume gelegenen Graf- und Herrschaflen spricht für die Herzoge.
. Salz: Die Stamm - und Erbrerträge, so den Reichs -Constitutionen gemäss, sind ipso
jure gültig, mithin auch diejenige, so auf gewinnende und erwerbendo Lande gehe
7. Kurbaiern hat nach der goldenen Bulle, Reichslande, Lehen und Eigen, erwerben
und das Fideicommiss dadurch verstärken, sofort auch solche auf den Successorem Fideicommissa-
rium, der auch ein Kurfürst ist, überliefern könn
: In dem baierischen Geschlechte. int die Samt - Belehnung nicht gewöhnlich,
9. Satz: Die baierischen Lande sind untheilbar.
10.-Satz: Die baierischen Prinzessinnen können an Land und Leuten nicht erben, so lang
noch ein von Otto dem erlauchten abstammender Pfalzgraf und Herzog in Baiern in der Welt ist.