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erkannte, nach erreichter Mündigkeit, den Verzicht auf Bayern nicht an, was
daraus klar hervorgeht, dass er sich seit dem Antritt seiner Regierung immer
„Bavariae et Saxoniae dux‘ nannte. Endlich auf dem Reichstag zu Regensburg,
1156, gelang ihm die Wiedererwerbung Bayerns. Die Verständigung erfolgte da-
hin, dass der Babenberger das Herzogthum Bayern an Heinrich den Löwen ab-
trat, dagegen die Ostmark von Bayern nebst den dazu gehörigen Grafschaften
diesseits der Ens als ein herzogliches Lehen aus der Hand des Kaisers zurücker-
hielt. Auf diese Weise vereinigte Heinrich der Löwe die ehemaligen Besitzungen
seines Vaters wieder in seiner Hand. Mit dem Besitz der zwei grössten deutschen
Herzogthümer verband er seine ausgedehnten Familiengüter in Bayern und Sachsen
und seine slavischen Eroberungen jenseits der Elbe, welche die Aussicht zu einem
selbstständigen Reiche gewährten ').
Heinrichs eifrigstes Bestreben war auf die Abrundung seines norddeutsch-
sächsischen Gebietes gerichtet; viele Besitzungen kleiner Dynasten brachte er
durch Kauf oder Tausch an sich. Die durch seine erste Gemahlin Clementia aus
dem Hause Zühringen erworbene Besitzung Baden übergab er dem Kaiser und
erhielt dafür günstiger gelegene Reichsgüter in Sachsen, wie die Schlösser Scharz-
feld, Herzberg u. s. w. Auch gelangen ihm noch viele andere grosse und kleine
Acquisitionen; so erwarb er die Grafschaft Stade und Ditmarsen, machte sich die
Friesen zinsbar und bekam die Stadt Oldenburg. Eine andere sehr bedeutende
Erwerbung war die winzenburgische Erbschaft mit Seesen und Schildberg. Hein-
richs Macht reichte bis Mecklenburg und Pommern, zahlreiche slavische Fürsten
waren seine Lehensleute. Heinrich der Löwe stand damals auf der Sonnenhöhe
seiner Macht, von welcher er bald herabgestürzt werden sollte.
Eine Erkältung der Freundschaft zwischen dem Kaiser und seinem mächtig-
sten Vasallen trat durch die Schenkung der Hausgüter ein, wodurch Welf VI. die
schwäbischen Besitzungen dem Mannsstaınme seines Hauses entfreindete. Der Hass
der Fürsten und Bischöfe in Sachsen gegen die aufstrebende Macht des Löwen,
welcher sie sich nur widerwillig unterordneten, suchte auch am kaiserlichen Hofe
sich Eingang zu verschaffen. Der vollständige Bruch zwischen den Häuptern der
beiden mächtigsten Geschlechter erfolgte, als Heinrich der Löwe, taub selbst gegen
die fussfälligen Bitten des Kaisers, im Jahre 1175 ihm die Heerfolge nach Italien
verweigerte. Durch die Eifersucht der sächsischen Grossen fiel die welfische Macht.
Von den sächsischen Bischöfen als Unterdrücker ihrer Kirchen angeklagt, als Un-
gehorsamer geächtet, zuletzt von dem grössten Theile seiner Vasallen verlas-
sen, verlor Heinrich der Löwe nach dem Urtheil der Fürsten, da er auf vier
Reichstagen zu Worms, Magdeburg, Goslar und Würzburg?) geladen, nicht er-
1) Hier fühlte sich Heinrich nicht als Reichsfürst, sondern kraft des Rechte der Eroberung
ala Souverän. Helmold sagt: „In omni terra Sclavorum, quam vel ipse vel progenitores sui
aubjugaverint, in clypeo suo et jure belli‘“ — selbst die Bischöfe mussten von ihm die Investitur
nelmen „in hac enim terra sola ducis auctoritas attenditur". Bötticher S. 481.
2) So giebt Bötticher die Reihenfolge der Reichstage an, anders Eichhorn in seiner
Rechtsgeschichte II 6. 238. Die Reichsscht konnte schon nach dem Ausbleiben auf dem dritten
lteichslage ausgesprochen werden, die Yorladung zu einem vierten Termine war eino besondere
Concession, Bötticher S. 337.