Wir kommen nun zu der Linie des Herzogs Magnus I. oder des From-
men, welchem in der Subdivision von 1345 die Lande um Braunschweig und Wol-
fenbüttel zugefallen waren.
Magnus I. hatte nicht seinen gleichnamigen Sohn, sondern den jüngern Bru-
der desselben, Ludwig, denselben, welchen auch Wilhelm von Lüneburg einsetzte,
zu seinem Nachfolger bestimmt '), Aber Ludwig starb 1358 vor dem Vater; so
erbte nun Magnus II. Torquatus die beiden Fürstenthümer Braun-
schweig und Lüneburg; doch wurde der oben erwähnte langjährige lüneburgi-
sche Successionsstreit nicht unter ihm, sondern erst unter seinen Söhnen beendigt;
diese waren: Friedrich, Bernhard, Heiurich und Otto. YVorläufig nur im Besitz der
braunschweig-wolfenbüttelschen Lande, trafen die Brüder 1374 mit der Ritter-
schaft und den Städten des Herzogthums Braunschweig folgende Vereinbarung:
„dass die Herrschaft zu Braunschweig mit allen Städten, Schlössern und
Landen, mit allen geistlichen und weltlichen Lehen ewig und immer eine
ungetheilte Herrschaft bleiben und nie gezweit oder getheilt
werden soll; die Herrschaft soll der älteste Bruder, Herzog
Friedrich, allein führen, doch darf er weder Schloss noch Stadt, we-
der Land noch Leute verkaufen, ohne die Einwilligung seiner Brüder und
der Stünde des IHerzogtlums. Stirbt Herzog Friedrich, so wird, ob er auch
männliche Nachkommen hinterlasse, die Erbschaft auf seinen ältern Bruder
übergehen und erst, wenn die Brüder alle gestorben, die Regierung dem
ältesten seiner Söhne zufallen‘* ?).
Hier ist keine Linealprimogenitur°), sondern ein Seniorat angeordnet,
eine Successionsart, welche uns in mehreren Fürstenhäusern als Uebergangsform
zur eigentlichen Primogenitur begegnet, da sie den nachgebornen Brüdern noch
mehr Aussicht bietet, selbst zur Succession zu gelangen, als die Primogenitur ®).
Durch den erwähnten Verzicht der sächsischen Herzöge von 1389 kamen die
braunschweigischen Brüder auch in den Besitz der lüneburgischen Lande. In
demselben Jahre verglichen sich die Söhne des Magnus Torquatus dahin, dass das
braunschweigische Land nebst einigen lüneburgischen Schlössern und Pertinenzen
bei dem ältesten Bruder Friedrich verbleiben, Bernhard und Heinrich aber die
Herrschaft Lüneburg gemeinschaftlich besitzen sollten °).
Durch diese Auseinandersetzung der drei Söhne des Herzogs Magnus II. von
1388 wurden die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts hervortretenden Bestrebungen
der Herzöge von Braunschweig, durch Einführung der Untheilbarkeit und der
Individualsuecession ihre Hausverfassung zu befestigen, wieder in den
Hintergrund gedrängt. Doch tauchte dieses Bestreben immer von neuem wieder
1) Die Urkunden sind nach Sudendorf Il. S. 272 milgetheilt.
2) Urkundenbuch Nr. IV
Unrichtig ist, wenn Havemann I. S. 510 hier von der Einführung der Primogenitur
oder des Rechts der Erstgeburl spricht.
4) Gleicher Natur ist der münsinger Vertrag von 1482 im Hause Würtemberg. Siehe
Herm. Schulze, De testamento Genserici seu de antiquissima lege successoria p. 26 u. 46, wo
die gleiche Bedeutung des Seniorals nachgewiesen wird.
6) Pfeffinger I. S. 369.