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Schon August, der Stammvater der jetzigen wolfenbüttelschen Linie, welcher
durch den Vertrag von 1635 das Fürstenthum Wolfenbüttel erworben hatte, behaup-
tete das Recht der Erstgeburt und erhielt es in seiner Linie, indem er das in der
abgestorbenen wolfenbättelschen Linie eingeführte Pactum Henrico-Wilhel-
minum von 1535 als auch für seine Descendenz geltend ansah. Er
stellte deshalb den Ständen des Fürstenthums am 19. Januar 1636 einen Revers
wegen Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Vertreges von 1535 über Untheil-
barkeit und Primogenitur aus. Diese Reversalien sind seitdem beibehalten worden.
In den unter dem 9. April 1770 zusammengestellten und als Gesetz publizirten
ftsprivilegien heisst es Art. IX:
„der gnädigste Landesherr wolle von getreuen Ständen die Erbhuldigung
nicht eher verlangen, bis dieselben wie über das pactum primogeniturae,
also über das pactum Henrico - Wilhelminum hinlänglich assecurirt sind“ 1).
In der wolfenbüttelschen Linie ist auch das Recht der Erstgeburt von Anfang
an beobachtet worden und die Landestheilung ausgeschlossen geblieben; die einzige
Ausnahme bildet die Zutheilung der Grafschaft Blankenburg an den zweiten
Sohn, Ludwig Rudolf, mit wirklichen Regierungsrechten, eine Abweichung, die auf
einem ganz besondern Vertrage beruhte und bald wieder aufhörte; dagegen kann
die Zuweisung von Bevern an Ferdinand Albrecht nicht als Verletzung des Pri-
mogeniturprinzipes betrachtet werden, da hier die wesentlichen Regierungsrechte
der erstgebornen Linie verblieben und es sich nur um Anweisung einer Residenz
handelte.
Während Carl, als Erstgeborner, die väterlichen Lande allein erhielt, fiel den
nachgebornen Brüdern ein verschiedenes, wechselvolles Schicksal im Auslande zu.
Wir erwähnen hier nur Anton Ulrich, welcher, vermählt mit Anna Carlowna,
Regentin von Russland, seinen Sohn ala Iwan Ill. 1740 auf den russischen Thron,
1741 in den Kerker von Schlüsselburg steigen sah. Der schnell vorübergehende
Glanz eines Kaiserthroues, welchen Anton Ulrich dem Hause Braunschweig - Wol-
fenbüttel erwarb, wurde durch seinen und seiner Kinder kläglichen Ausgang schwer
gebüsst ?).
Auf Carl folgte Carl Wilhelm Ferdinand (1780—1806). Durch den
Erbvertrag von 1635 und in Gemässheit späterer Vereinigungen hatten die beiden
braunschweigischen Linien einen Theil des Harzes in gemeinsamem Besitz gehabt.
Um den vielfachen Irrungen vorzubeugen, erreichte Carl Wilhelm Ferdinand am
4. October 1788 den Abschluss eines neuen Theilungsrezesses, deinzufolge die bis-
her von beiden fürstlichen Linien gemeinschaftlich besessenen Theile des Harzes
gesondert wurden, so dass das herzogliche Haus °”/,, Jas Kurhaus %, zu seinem
Antheil erhielt?). Der Reichsd ti tschluss vom 25. Februar 1803 $. 4
räumte „dem Herzoge von Braunschweig-Wolfenbüttel die Abteien Gandersheim
1) Herm. Schulze, Recht der Fistgeburt S. 421. v. Liebliaber, Herzoglich braun-
schweig - Nüneburgischen Landrecht 1. S.
2) rthold, Vom Ausgang des eenschen Zweiges (in Rauıners bislorischem Taschen-
buch YIll. Jahrgang).
3) Havemann lIl. S. 628.