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und mit agnatischer Einwilligung geschah, so war gegen die Annahme dieses Ti-
tels, sowie gegen die Ebenbürtigkeit dieser Ehe nichts zu erinnern. Sophia Do-
rothea wurde die Stammmutter des grossbritannischen und hannö-
verschen Königshauses.
Durch den Tod von Gcorg Wilhelm verlor das lüneburgische Lam, als ge-
sondertes Fürstenthum, seinen letzten Regenten; die fürstliche Residenz von Cella
war für immer verwaist. Erst jetzt trat die hausgesetzliche Bestimmung des Te-
stamentes von 1683, Primogenitur und Untheilbarkeit, in ihre volle Wirksamkeit.
Georg Ludwig, zweiter Kurfürst von Hannover, war bereits 1698 seinem Vater in
Calenberg gefolgt; jetzt succedirte er auch in Cella und vereinigte somit für
alle Zeiten die sämmtlichen Lande des neuen Hauses Läneburg oder
der Linie Wilhelms, des jüngern Sohnes Ernst des Bekenners. Seit-
dem sind in dieser Linie nie mehr Landestheilungen vorgekommen.
Eıst unter der Regierung Georg Ludwigs gelang es, die braunschweigische
Linie zu Wolfenbüttel, besonders Anton Ulrich, zur Anerkennung der Primo-
genitur und der Kurwürde zu bewegen; auch wurde ausgemacht, dass die-
jenige Linie, bei welcher das Seniorat sich befinde, unter andern Vorrechten,
auf Reichs- und Kreistagen zuerst aufgerufen werden sollte. Die Ansprüche der
wolfenbüttelschen Agnaten auf Lauenburg wurden durch Abtretung des Amtes
Campen nebst drei Dörfern von dem Amte Gifhorn und eine Geldzahlung abge-
funden. Damit war das freundliche Einvernehmen zwischen den beiden Haupt-
linien des braunschweigischen Hauses wieder hergestellt und ihr staatsrechtliches
Verhältniss zu einander geordnet '}.
Nachdem so dem Vater Ernst August gelungen war, die Kurfürstenwürde
und damit die vornehmste Stellung im Reiche und die königlichen Ehren seinen
Hause zu erwerben, fiel seinem Sohne Georg Ludwig die mächtigste und glän-
zendste Königskrone Europas zu. Aus dem engen Kreise seiner Stanımlande trat
dadurch das Haus Hannover auf den grössten weltgeschichtlichen Schauplatz.
Zum Verständniss dieses Successionsfalles bedarf es cines kurzen Eingehens
auf die Grundsätze der englischen Thronfolge ?).
Die Succession der englischen Krone folgt, was die Erbfolgeordnung be-
trifft, dem gemeinen englisehen Lehenrecht, nur dass die Untheilbarkeit des Rei-
ches eine Abweichung hervorbringt. Die englischen Lehen fallen zuerst an die
Söhne nach dem Recht der Erstgeburt, so dass immer der ältere alle jüngern Brü-
der und die Schwestern ausschliesst, wenn aber nur Töchter vorhanden oder die
Söhne mit ihren Nachkommen verstorben sind, so erben die Töchter das Lehen zu
gleichen Theilen. Wo eine Theilung nicht gestattet ist, wie bei der Krone, folgen
aber auch die Töchter nach dem Rechte der Erstgeburt. Dabei findet aber ein
1) Vergleichsrecess zu Braunschweig zwischen Kurfürsten Georg Ludwig za Hannover und
Herzog Anton Ulrich zu Wolfenbüttel wegen aller bisherigen Differeuzen, der Kur und der Prä-
cedenz vom 17. Januar 1706. Angehängt sind diesem Vergleiche zwei Articuli separali von glei-
chem Jahre und Tage. Siehe Pfeffinger 1. 9. 477. Rechenberg, De successioue in domo
Guelph. usit. Cap. IE $. 37 p. 53. Fabers Staalskanzlei Bd. Älll S. 682 und Moser, EinlciL
in das hraunschw. -lüneb. Staatsr. II. Cap. S. 70. Ribbentrop, Beiträge S. 120.
2) Blackstone, Commcnlarics B. L Ch. 3.