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Das berühmte Gesetz für die Heirathen in der königlichen Familie, Royal
marriage act von 1772, spricht nur von der Nothwendigkeit der königlichen
Genehmigung, nicht von der Ebenbürtigkeit bei den Ehen der Mitglieder des gross-
britannischen Königshauses '). Natürlich konnte diese Parlamentsakte keinen An-
spruch auf Gültigkeit in Hannover machen und so haben wir den merkwürdigen
Fall, dass dasselbe Herrscherhaus in verschiedenen Ländern nach verschiedenem
Hausrechte lebte, ein Dualismus, welcher später zu manchen Streitigkeiten und
publizistischen Erörterungen Veranlassung gab.
Bis zum französischen Revolutionskriege fanden weder wichtige Gebietserwer-
bungen, noch staatsrechtliche Veränderungen statt. Der Reichsdeputationshaupt-
schluss vom 25. Februar 1803 $ 4 räumt dem Könige von England, Kurfürsten
von Braunschweig, ‚für seine Ansprüche auf die Grafschaft Sayn- Altenkirchen,
Hildesheim, Corvey und Höxter und für seine Rechte und Zuständigkeiten in den
Städten Hamburg und Bremen, wie auch für die Abtretung des Amtes Wildenhau-
sen“ das Fürstenthum Osnabrück erblich ein.
Allein schon 1803 wurden die Kurlande durch die Franzosen occupirt. Ueber
zwei Jahre blieb Hannover in der Gewalt der Franzosen, von denen es zwar gegen
Ende des Jahres 1805, beim Ausbruche des Krieges zwischen Oesterreich und
Frankreich, befreit, aber dafür am 14. Februar 1806 von Preussen in Besitz
genommen wurde, welches, durch die Macht der Verhältnisse gezwungen, llannover
gegen die an Fraukreich abgetretenen Lande Ansbach, Cleve und Neuenburg ein-
getauscht hatte. Durch den I'rieden von Tilsit verlor Preussen alle seine Besitzun-
gen auf dem linken Elbufer und somit auch Hannover. Durch das Dekret Napo-
lecons vom 18. August 1807 wurde das Land theils mit dem Königreich Westfalen
vereinigt, theils 1810 dem französischen Kaiserreiche unmittelbar einverleibt.
Georg III. konnte diese Verfügungen des Eroberers über seine deutschen
Stammlande nicht hindern, verzichtete aber niemals auf sein Recht. Als im Jahre
1810 sein Geist zum zweiten Male in ungewöhnlicher Hartnäckigkeit gestört wurde,
so dass jede Hofinung auf Genesung aufgegeben werden musste, schien es erforderlich,
den Prinzen Georg (Friedrich August) als Prinz-Regenten an die Spitze der
Regierung zu stellen. Am 5. Februar 1311 durch das Parlament zur Ucbernahme
der Regentschaft berufen, schwur er treue Lebenspflicht dem Könige und Achtung
vor den bestehenden Gesetzen.
Nach dem Sturze der französischen Herrschaft trat das englische Königslaus
wieder in den Besitz seiner «deutschen Stamnılande Am 12. October 1814 erfolgte
eine offizielle Mittheilung bei dem wiener Congress, dass, da nach Aufhebung des
Reichs der Titel eines Kurfürsten nicht mehr angemessen sei, der Prinz - Regent
seine deutschen Lande zu einem Königreiche Hannover erhoben habe. In
Gemässheit der am 9. Juni 1815 abgefassten Schlussakte des Congresses erhielt
Hannover das Fürstenthum Hildesheim, Stadt und Gebiet Goslar, das
Fürstentum Ostfriesland, das Herzogthum Aremberg-Meppen, die nie-
dere Grafschaft Lingen, den herzoglich loozischen Antheil an Rheinau-Wol-
1) Urkundenbuch Xr. Xllt.