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Vor allem musste sich der Herausgeber die Frage stellen, ob er die Haus-
gesetze des gesammten hohen Adels in Deutschland, d. h. aller bis 1806 lan-
desherrlichen und reichsständischen Familien aufnehmen, oder ob er sich auf die
regierenden Häuser beschränken wollte? Sowohl rein äussere, buchhändlerische,
als auch innere Gründe sprachen für diese Beschränkung.
Durch die Auflösung des deutschen Reiches und die s. g. Mediatisirung trat
eine Spaltung des hohen reichsständischen Adels ein. Viele Glieder dieses erlauch-
ten Standes verloren ihre frühere staatsrechtliche Stellung, besonders ihre Landes-
hobeit, und sanken in ein Unterthanenverhältniss hinab; andere erlangten die
Souveränität, beseitigten die letzten Schranken der Rteichsverfassung und traten in
die Reihe der souveränen europäischen Häuser. Trotz dieser tiefgchenden Spaltung
wirkten aber die Traditionen des Reichsstaatsrechts so mächtig fort, dass die alte
Standesgenossenschaft zwischen den deutschen souveränen und den mediatisirten
Häusern bundesrechtlich festgehalten, dass auch den letztern die fernere Theil-
nahme an dem, auf autonomischer Satzung beruhenden Privatfürstenrechte zugestan-
den wurde.
Allein obgleich die s, g. mediatisirten Familien auch heutzutage zum hoben
Adel zählen und als Subjekte und Faktoren des deutschen Trivatfürstenrechts in
Betracht kommen, so ist doch ihre staatsrechtlich hervorragende Stellung mit
ihrer Landeshoheit verloren gegangen; die Meiiatisirten sind, trotz ihres hohen
Familienstatus, doch wesentlich nur Privatleute und hochprivilegirte Unterthanen.
So bedeutsam ihre Hausgesetze daber auch für sie selbst und ihre Familienverhält-
nisse, so wichtige Quellen für manche Institute des Privatfürstenrechts dieselben
auch sein mögen — eine höhere öffentlich-rechtliche Bedeutung haben
heutzutage nur die Hausgescetze der souveränen oder regierenden deutschen Für-
stenbäuser, deren Hausverfassung eng zusammenhängt mit den Fundamentaleinrich-
tungen des Staates, deren Erb- und Familienrecht tief eingreift in das Staatsrecht
ihres Landes.
Indem somit nur die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser
von einem allgemeineru Interesse sind, indem nur sie allein heutzutage als
Quellen des öffentlichen Rechtes in Betracht konmmen, rechtfertigt sich die
Beschränkung unserer Aufgabe auf die Hausgesetze der souveränen oder regie-
renden Fürstenhäuser.
Dagegen wird der Ausdruck „Hausgesetz" hier im weitesten Sinn für
jede Norm gebraucht, wodurch die fürstliche Hausverfassung geregelt wird, wodurch
Bestimmungen über die Unveräusserlichkeit des Territoriums und einzelner Bestand-
theile desselben, insbesondere auch des später s. g. Kammergutes, über die Suc-
cessionsfähigkeit, Successionsordnung, Einführung der Primogenitur, Vormundschaft,
Apanagewesen, Rechte der Töchter und fürstlichen Wittwen getroffen werden ').
Es wird daher mehr Rücksicht genommen auf den materiellen Inhalt, als auf
die formelle Entstehungsweise solcher Rechtsnorinen, und es werden demnach
1) In dieser Weise fasst such H. A. Zachariä in seinem deutschen Staatsrecht Bd. I $. 34
S. 131 den Ausdruck „Hausgesetz