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hierher gerechnet Familienverträge, Erbverbrüderungen, wichtige Theilungsrecesse
in Successionsfällen, fürstliche Testamente, ja selbst Lehnbriefe (z. B. der erste
für das Haus Braunschweig-Lüneburg von 1235) und Reichsgesetze, weiche auf
die Hausverfassung eines Fürstenhauses von Einfluss geworden sind’).
Da in jedem deutschen Fürstenhause derartige hausgesetzliche Normen in
grosser Anzahl vorhanden sind, so galt es vor allem, eine schon durch äussere
Gründe gebotene, zweckentsprechende Auswahl zu treffen, wobei sowohl der
praktische, als der historische Gesichtspunkt entscheidend war.
Vor allem musste natürlich berücksichtigt werden, was bei praktischen Staats-
fragen voraussichtlich einmal von Wichtigkeit werden kann. Allein selbst bei dem
genausten Studium der Hausgeschichte eines Fürstenhauses lässt sich dies nicht
immer im voraus mit Sicherheit übersehen. Es kommen auf dem Gebiete des
deutschen Staats- und Fürstenrechts, besonders bei Successionsfragen, oft noch alte
Hausverträge und Testamente wieder zur Anwendung, welche man längst als obsolet
zu betrachten gewohnt war. Ich habe daher in den hausgeschichtlichen Einleitun-
gen so genau wie möglich angegeben, in welchen Werken die nicht von mir mit-
getheilten hausgesetzlichen Urkunden zu finden sind; ich hoffe damit, neben der
Herausgabe besonders wichtiger Hauszesetze, ein brauchbares Repertorium der
gesammten Hausgesetzgebung zu liefern.
Vom historischen Gesichtspunkte aus sind aber auch solche Urkunden
aufgenoinmen, deren unmittelbare praktische Bedeutung durch neuere Gesetze
beseitigt ist, welche aber dennoch für die Haus- und Landesgeschichte der deut-
schen Territorien von hervorragender Wichtigkeit sind. So bleiben, trotz des
bayerischen Hausgesetzes von 1819, welches als künftig allein geltende Norm
erlassen worden ist, der Vertrag von Pavia von 1329, dieses älteste Fundament der
bayerischen Hausverfassung, der Primogeniturvertrag von 1506, der ansbachische
Vertrag von 1796, so bedeutsame Aktenstücke für die Geschichte des bayerischen
Hauses und Landes, dass sich die Mittheilung derselben gewiss empfiehlt. Es kam
mir darauf an, solche Urkunden leichter zugänglich zu machen, welche für die
Bildung und Consolidirung der deutschen Territorien massgebend gewesen sind,
aber selten ihrem ganzen Inhalt nach gekannt und gewürdigt werden ?).
Möglichste Sorgfult habe ich auch den staatsrechtlich-geschichtlichen
Einleitungen zugewendet, welche den Hausgesetzen jeder einzelnen Dynastie vor-
ausgeschickt sind. Ich beabsichtige damit, in kurzer übersichtlicher Darstellung, eine
möglichst vollständige Hausgeschichte der regierenden deutschen Fürstenhäuser zu
geben. Ich bespreche darin die Entstehung und Urgeschichte jeder Dynastie nach dem
$ sion C. F. Eichhorn, deutsche Siaals- und Rechtsgeschichte Bd. II $. 481. Ba IV
2) Hermann Schulze, Recht der Erstgeburt Vorrede S. VI: „Der von den klistorikern
oft wenig beachlete Akt, wodurch die Untheilbarkeit des Staates grundgesetzlich Sestgertellt wurde,
erscheint als der grösste Wendepunkt in der Stastegeschichte eines deutschen Territoriums.
Es war der glänzendste Triumph, welchen das höhere Stastsprinzip über die unberechligie Anwen-
dung privatrechtlich-patrimonialer Grundsätze davon trug. Heine Schlecht Friedrichs des Grossen
war wichtiger für Preussens gegenwärlige Grösse, als jener Akt staatsmännischer Weisheit, wodurch
Albrecht Achilles die Untheilbarkeit der brandenburgischen Lande fentsetzte.“