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gleich diese väterliche Verordnung nicht mehr urkundlich vorhanden ist, so giebt
uns die hessische Chronik doch den Inhalt derselben an !):
„Uff das nu vortmerß keyne tzweytracht wurde tzußchin synen kyndern, alß
vormalB eme selberß widderfaren was mit sinen geswistern, dardurch das lunt
verdeylt wurde, sundern uff daß der Furstenthum by einander bliben sulte.
Hirumbe so satzste he das allewege der elter sulte eyn Herre des lants syn,
unde derselbe sulte sich mit den andern synen geswistern unde brudern (ob der
was were) vertragen mit rathe irer frunde dieselben erbarcklichen zu versorgen.
Also quam es uff das der eldeste under den Landgraven vor eynen Fursten
alleyne gehalten wart, unde des schreib er sich in syme Ingesigel Lantgrave
unde Herre Heßen landes, darumbe wart er auch geheisin gnediger Herre.
Aber die andern syne brudere adder syne soene schrebin sich keyne Herrn des
lants, dywile der alte am leben was, sundern sie schrebin sich slecht Lant-
grave zu Hessen. Hierumbe worden sie geheißen Gnediger Juncher.
Duße ordinantzie ist vorters auch also gehaltin worden by 150 jaren, bis das der
letzste Grave zu Czigenheyn starp, alß man hirnach wole horen sal.“
Aus gleichem Grunde, nämlich zur Sicherung der Individualsuccession, ver-
pflichtete sich Otto selbst, keine zweite ebenbürtige Ehe einzugehen, sondern sich
beim etwaigen Tode seiner Gemahlin nur morganatisch mit einer Jungfrau
aus der Ritterchaft zu vermählen, wie dieselbe Chronik berichtet:
„Dißer Furste Lantgrave Otto war gar eyn godsforchtiger und worhafltiger
Herre, unde hatte sin lant unde lute ußermaßen lip, unde bath syne soene, das
sie ire armen lude hiernehist gnediglichin horen wulden, unde bie rechte be-
haltin, unde auch das sie nach syme dode das lant nicht verdeylen sulten. He
sprach auch, werß sache, das syne hußfrauw Alheid todes halber abginge, so
he dan nicht kuschlichin synen wedeman stad gehaltin mochte, so en wulde he
auch nicht in eyme sündigen leben von godde fonden werden. Aber he enwulde
keynd Fursten, Herrn, noch Graven tochter nemen, uff das durch die tzweyerley
kyndere das lant nicht verdeylt worde, sundern he wulte eyne frumme jung-
frauwen uß siner ritterschafft zu der ec nemen, unde ob he mit der kindere ge-
wonne, die wulte he mit gelde unde leenschafft unde andern gutern wole ver-
sorgen, so das der Furstenthum bynander bliben sulte.” Alsus schribet Johan
Riteßel in siner Chronicken.
So wurde schon damals die morganatische Ehe als ein Mittel betrachtet,
die Zahl successionsfähiger Nachkommen zu beschränken und die Zersplitterung
und Ueberlastung des Landes zu vermeiden ?).
Landgraf Otto hinterliess vier Söhne, Heinrich, Ludwig, Hermann und Otto;
nur letzterer wurde geistlich. Nach der damaligen Sitte des Fürstenstandes
würden die drei weltlichen Söhne das Land getheilt oder gemeinsam re-
giert haben; allein nach der väterlichen Verordnung kam nur der Aelteste,
Heinrich U. zur Succession, die beiden jüngern Brüder wurden abgefunden,
1) Schmincke, Monimenta Hassiaca II. 8. 458.
3) Pütters Missheirathen 8. 49.