13
nach dem Willen seines Vaters, das Land an der Lahn überlassend. Aber Lud-
wig allein, als der älteste Fürst, belehnte die grösseren Vasallen und Erbbeamten
und bestätigte die Freiheiten selbst solcher Städte, die in seines Bruders Antheil
lagen. Dieser vorläufige Zustand wurde bald näher, aber nur auf vier Jahre be-
stimmt. Erst nach langen Theilungsstreitigkeiten kam es zu einer definitiven
Auseinandersetzung zwischen den beiden Brüdern 1469, wodurch der Erst-
geborene Ludwig III. Niederhessen mit Kassel und der Landschaft an
der Werra, mit Schloss und Stadt Gudensberg, Wolfhagen, Zierenberg, Greben-
stein, Witzenhausen, Allendorf, Eschwege, Wanfried, Schmalkalden landgräflichen
Antheils, Rottenburg, Spangenberg u. s w., der Zweitgeborene Heinrich IN.
das Land an der Lahn, zu welchem auch die Grafschaften Ziegenhain und Nidda
gerechnet wurden, mit Marburg, Biedenkopf, Wetter, Frankenberg, Treysa u. s. w.
zugewiesen bekam, doch erhielt Landgraf Ludwig III., als der älteste Fürst von
Hessen, vom Kaiser 1471 die Belehnung für sich und seinen Bruder über das
Fürstenthum und die Landgrafschaft Hessen, über die Grafschaften Ziegenhain
und Nidda, über die Erbverbrüderung mit Sachsen und Brandenburg und über
die Grafschaft Waldeck, welche hier zum ersten Mal als Reichsafterlehn aner-
kannt wurde.
Während es seit Ottos Zeiten immer nur Einen regierenden Herrn zu
Hessen gegeben hatte, bestanden jetzt zwei regierende Linien zu Kassel und
zu Marburg.
Die jüngere Linie Heinrichs IIL zu Marburg (1460 — 1483) erlosch bereits
mit dessen Sohne Wilhelm III. im Jahre 1500 und die erledigte Landesportion
fiel der ältern niederhessischen Linie zu.
Zu dem oberhessischen Antheil war unterdessen aber auch die obere und
niedere Grafschaft Katzenellenbogen!) gekommen, indem sich Heinrich II.
mit Anna, der Erbtochter dieses Grafenhauses, vermählt und nach dem Tode
des letzten Grafen, im Namen seiner Gemahlin, von der ganzen obern und nie-
dern Grafschaft förmlichen Besitz genommen hatte?). Heinrich IIl. erwarb damit
dem hessischen Fürstenhause die stärksten Festungen am Rhein, den einträglichen
Zoll zu St. Goar und die ganze Gegend von Darmstadt. Durch diese Erwer-
bung war der marburgische oder oberhessische Antheil beinahe doppelt so gross
geworden, als der niederhessische, womit er im J. 1500 wieder vereinigt wurde.
Ludwig II. zu Kassel starb 1471 mit Hinterlassung zweier unmündiger
Söhne, Wilhelms L und Wilhelms II. Seine Gemahlin, Mechthildis von Würtem-
berg, erkannte ihren Schwager, den Landgrafen Heinrich von Marburg, „als einen
natürlichen, rechten, gesippten und vollmächtigen Vormund und Regierer über
1) Zu der obern Grafschaft wurden gerechnet: Darmstadt, Rheinheim, Zwingenberg, Rüs-
selsheim, Lichtenberg, Dornberg, Gerau, Trebur, Hofheim; zu der niedern: Rheinfels, St. Goar,
Branbach, Hohenstein, Katzenellenbogen,, Alt- und Neu -Goershausen, Schloss Reichenbach, Langen-
schwalbach u. s. w.
%) Landgraf Heinrich erlangte die Belehnung über die Lehenstücke, ans welchen die grössten-
theils lehenbare Grafschaft bestand, noch während des Lebens seines Schwiegervaters, Philipps I., des
letzten Grafen von Katzenellenbogen. Lange Streitigkeiten entstanden aber mit dem nassauischen
Hause über die Hinterlassenschaft des letztern, welche endlich durch einen Vorgleich im J. 1657 been-
digt wurden. (Estor, elem. 8.10 p. 15.)