261
bus meinem ältesten Sohne und dessen Nachkommen, welche secundum jus pri-
mogeniturae und nach Unserer diesfalls aufgerichteten oben angezogenen Dispo-
sition ihm in der Regierung folgen werden, wie in der übrigen Herrschaft Schleiz
allein verbleiben und hiermit ausdrücklich vorbehalten sein soll.“ Aber auch für
diesen Güterkomplex sollte nach den: Testamente von 1687 die Primogenitur gel-
ten: „dass bei oft erwähnten meinem jüngeren Sohn zugetheilten Lehngütern unter
seinen männlichen Descendenten das jus priinogeniturae gleichermaassen und mit
eben den conditionibus wie bei der Herrschaft Schleiz observiret werden soll.“
Auf Grundlage dieses Testameutes succedirte nach dem Tode Heinrichs I. 1692
der erstgeborene Sohn Heinrich XI. in Schleiz, der nachgeborene Heinrich XXIV.
in Köstritz.
Heinrich XXIV. wurde der Stifter der Linie Reuss-Schleiz-Köstritz,
welche bis auf den heutigen Tag das s. g. Paragium Köstritz besitzt. Dieser
Güterbesitz liegt theils im Fürstenthum Gera, theils im Fürstenthun: Schleiz,
theils im Fürstenthum Greiz. Derjenige Theil des Paragii, welcher im Fürsten-
thum Schleiz und Greiz liegt, heisst die Pflege Reichenfels, in Betreff deren
sich der Inhaber des Paragiums früher einiger untergeordneter Hoheitsrechte er-
freute, welche durch die neuere Gesetzgebung beseitigt sind. Jetzt erscheint
dieses Paragium nur als einfacher Rittergutsbesitz, doch hat der
Besitzer desselben noch einige persönliche Vorrechte, er darf seinen Beamten
gewisse Prädikate ertheilen: Rath, Rentverwalter, Sekretär u. s. w., er ist per-
sönliches Mitglied des Landtages von Reuss j. L., er kaun sich eine Kapelle und
einen Hofprediger halten und hat den Patronat über die Pfarreien Köstritz, Hohen-
leuben und Triebes. Heinrich XXIV. starb 1748 und hinterliess drei Söhne:
Heinrich VI., IX. und XXIIL, von denen der Erstgeborene das Paragium bekam,
die zwei anderen zwei neue Nebenlinien anlegten. Heinrich VI. (1748 — 1783)
vermehrte den Besitz seines Hauses durch das in Schleswig- Holstein gelegene
Erbe seiner Gemahlin. Von seinen zwei Söhnen Heinrich XLIIH. und XLVII.
succedirte jener im Paragium, welches er bis 1814 besass. Mit seinem Sohne
Heinrich LXIV. erlosch 1856 sein Zweig und das Paragiun ging nun auf Hein-
rich LXIX. den Sohn seines verstorbenen Oheims über. Da jedoch auch dieser
Fürst 1878 kinderlos verstorben ist, so ist mit ihm die Linie Heinrichs VI. be-
schlossen und das Paragiun an die weite oder mittlere Linie gefallen, welche
ihren Ausgang von Heinrich IX., dem preussischen Staatsminister (F 1780), ge-
nommen hat. Nach dem Recht der Erstgeburt succedirt in das Paragiun Hein-
rich IV., Besitzer der Fideikommissherrschaften Haggenberg und
Ernstbrunn in Niederösterreich. Diese hatte bereits Heinrich LXIV.,
als Nachkomme seiner Stammutter Anna Elisabeth von Sinzendorf, nach langen
Prozessen für die ganze Linie Reuss-Köstritz erworben, während die anderen
reussischen Linien darauf keine Successionsrechte haben, da es sich dabei nicht
um reussischen, sondern um sinzendorfischen Familienbesitz handelt !).
1) Vergleiche das ausführliche Gutachten: „Das Recht der Erbfolge in den Binzendorf-Reussi-
schen Fideikommissherrschaften Haggenberg und Ernstbrunn in Niederösterreich“ in meiner Samm-
lung: „Aus der Praxis des Staats- und Privatrechts‘. Leipa. 1876. 5. 69—138.