Full text: Die Hausgesetze der regierenden Deutschen Fürstenhäuser. Zweiter Band: Hessen, Lippe, Mecklenburg, Reuß, Oldenburg. (2)

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gang gilt wieder der Vorzug des Mannsstammes. Die diesem Grundsatz gemässen 
nähern Bestimmungen über die Regentschaft während der Minderjährigkeit oder 
anderer Verhinderung des Grossherzogs werden durch das Hausgesetz fest- 
gesetzt, welches insofern einen Theil der Verfassung bildet“ Ein solches 
Hausgesetz ist bis jetzt nicht erlassen. Doch können folgende Grund- 
sätze, nach Maassgabe der Verfassung und älterer Hausgesetze, als geltend an- 
gesehen werden: Das Successionsrecht wird gegenwärtig theils durch Verwandt- 
schaft, theils durch Erbverbrüderung begründet. Das Successionsrecht vermöge 
Verwandtschaft beruht auf der Abstammung vom ersten Erwerber der Landgraf- 
schaft; aber nur derjenige Abkömmling des ersten Erwerbers ist successionsfähig, 
welcher aus einer rechtsbeständigen, d. h. aus einer nach bürgerlichen Gesetzen 
vollgültigen, nicht morganatischen, ebenbürtigen, mit Bewilligung des Grossherzogs 
geschlossenen Ehe abstammt. Die Verfassung macht die Gültigkeit der Ehe von 
der Ebenbürtigkeit und der Genehmigung des Grossherzogs abhängig, ohne den 
Begriff der Ebenbürtigkeit zu bestinnmen. Die Observanz des hessischen Fürsten- 
hauses spricht aber für die Einhaltung des strengen Ebenbürtigkeitsprinzips, wie 
es in den alten Fürstenhäusern die Regel bildet. Ehen mit Frauen von nie- 
derem (nicht reichsständischem) Adel haben stets als unebenbürtig gegolten; so 
die Ehe des Landgrafen Georg Ludwig Karl Friedrich Ernst (geb. 1780, + 1856) 
mit Karoline Gräfin Török von Szendrö, welche erst zur Gräfin, dann zur Prin- 
zessin von Nidda erhoben wurde, so die Ehe des Prinzen Alexander (geb. 1823) 
mit Julie, Tochter des polnischen Kriegsministers Grafen von Hauke, welche erst 
zur Gräfin, dann zur Prinzessin von Battenberg erhoben wurde. Die aus dieser 
Ehe entsprungenen Descendenten führen nicht den hessischen Haustitel, sondern 
den Titel „Prinzen und Prinzessinnen von Battenberg‘“‘ und sind nicht succes- 
sionsfähig. Da der Grossherzog Ludwig II. am 12. Juni 1877 kinderlos ver- 
storben ist, so kam die Thronfolge auf die männliche Descendenz seines Bruders 
Karl, welche aus drei Söhnen besteht, von denen bis jetzt nur der Erstgeborene 
Prinz Ludwig vermählt ist. Dieser hat als Grossherzog Ludwig IV. den Thron 
bestiegen. Nach dem Erlöschen der Linie des Prinzen Karl würde die Succession, 
in Ermangelung ebenbürtiger Agnaten der Darmstädter Linie, an die kasselsche 
Linie und in derselben zunächst an die Rumpenheimer Linie (Landgraf Friedrich), 
dann an die Philippsthaler, dann an die Philippsthal-Barchfelder Linie gelangen. 
Da die Verfassungsurkunde in Rücksicht der Volljährigkeit keine besondern Be- 
stimmungen enthält, so ist anzunehmen, dass man es bei der auf kaiserliche Pri- 
vilegien (Ferdinands IL von 1625) gegründeten Bestimmung belassen wollte, wor- 
nach die Volljährigkeit des Thronfolgers mit dem zurückgelegten achtzehnten Jahr 
beginnt. Dieser Termin von 18 Jahren war allgemein angenommen für die Söhne 
im Test. 1660 $. 13, für die Prinzessinnen dauert die Kuratel bis zu ihrer Ver- 
mählung, Test. von 1660 8.12. Dem erstgeborenen regierenden Herrn ist die 
Fürsorge für standesgemässe Erziehung und Versorgung der jüngern Brüder mit 
Deputaten, desgleichen der Prinzessinnen des Hauses vor und bei ihren etwaigen 
Vermählungen auferlegt. Die Deputate sind vererblich auf die ehelichen männ- 
lichen Leibeserben (Test. von 1625 8.3 u. 4, Test. von 1660 $. 3). Die nöthigen 
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