Die Ordnungs- und Sittenpolizei. 215
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II. Sittenpolizei im engeren Sinne.
1. Konkubinate.
Die Verfolgung der Konkubinate gehört zu den Aufgaben
der Sittenpolizei und ist infolgedessen auch in der V. vom
1. Mai 1858, betreffend die Organisation der unteren Ver-
waltungsbehörden und die Gegenstände der ortspolizeilichen
Tätigkeit, den Gemeindevorständen, welche die Polizeigewalt
in Städten und Landgemeinden kraft Delegation ausüben,
„die Verhinderung sogenannter wilder Ehen“ zur besonderen
Pflicht gemacht. Das Einschreiten der ÖOrtpolizeibehörden
erfolgt gemäß $ 1 des G. vom 6. Dezember 1892, betreffend
die Strafandrohung der Polizeibehörden und den Erlaß polizei-
licher Verordnungen, mittelst polizeilicher Anordnung, im
Einzelfalle unter Androhung von Zwangsmitteln. Gegen die
Anordnungen und gegen die entsprechenden Strafverfügungen
ist nur das Rechtsmittel der Beschwerdeführung in dem für
Verwaltungsangelegenheiten geordneten Instanzenzuge und unter
Ausschluß der Gerichte gegeben (s. $ 47).
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2. Zwangserziehung.
Das G. vom 20. Dezember 1896 verschmilzt gerichtliche
und Verwaltungstätigkeit und steht bereits auf dem Boden
der einschlagenden Bestimmungen des „Bürgerlichen Gesetz-
buches“. Die Staatsanwaltschaft, die Polizei-, Gemeinde- und
Schulbehörden haben die Obliegenheit, wenn ihnen bezüglich
jugendlicher Personen im Alter unter 16 Jahren Tatsachen
bekannt werden, welche nach den Umständen des Falles — sei
es mit, sei es ohne Vorliegen einer strafbaren Handlung —
die Unterbringung zur Zwangserziehung wegen sittlicher Ver-
wahrlosung begründet erscheinen lassen, hierüber alsbald Mit-
teilung an das Landratsamt zu machen. Das letztere hat die
zur genauen Feststellung nötigen Ermittlungen vorzunehmen
und auf Grund des Ergebnisses derselben zu prüfen, ob die
Unterbringung zur Zwangserziehung beim Amtsgerichte zu be-
antragen sei oder nicht. Das Amtsgericht beschließt auf
Antrag oder von Amtswegen, ob die Zwangserziehung eintreten