Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 21. 
des Staatsministeri, auch für diejenigen Landestheile, in welche das Allgemeine 
Landrecht bisher nicht eingeführt ist, in Uebereinstimmung mit den Vorschriften 
desselben, hierdurch fest: 
1. Eltern, oder deren gesetzliche Vertreter, welche nicht nachweisen 
können, daß sie für den nöthigen Unterricht der Kinder in ihrem Hause sorgen, 
sollen erforderlichen Falls durch Zwangsmittel und Strafen angehalten werden, 
jedes Kind nach zurückgelegtem fünften Jahre zur Schule zu schicken. 
Durch das Gesetz, betreffend die Bestrafung der Schulversäumnisse im Gebiete der 
Schulordnung für die Elementarschulen der Provinz Preußen vom 11. Dezember 1845 
und des Schulreglements vom 18. Mai 1801 für die niederen katholischen Schulen in 
den Städten und auf dem platten Lande von Schlesien und der Grafschaft Glatz, vom 
6. Mai 1886 (Ges.-Samml. S. 144) sind der § 4 der Schulordnung vom 11. Dezember 
1845 und die litt. a des § 39 des Schulreglements vom 18. Mat 1801 durch den 
mitgetheilten § 48 des Allgemeinen Landrechts ersetzt. 
Für die Provinz Schleswig-Holstein kommt in Betracht die Allgemeine Schul- 
ordnung für die Provinz Schleswig und Holstein vom 24. August 1814 § 74 (Chronologische 
Sammlung S. 112); für die Provinz Hannover das Gesetz über das Volksschulwesen 
vom 26. Mai 1845 § 3 und das Polizeistrafgesetzbuch vom 25. Mai 1847 § 125 
(Hannoversche Gesetz-Samml. 1845 S. 466 und 1847 S. 111); für Kurhessen das Kon- 
sistorialausschreiben vom 1. Februar 1826 § 23, das Ausschreiben des Oberschulrathes 
vom 2. Januar 1818 Nr. 6 und die Kurfürstliche Verordnung vom 17. Februar 1853 
(Kurhessische Ges.-Samml. 1818 S. 7 und 1853 S. 9); für Nassau die Allgemeine 
Schulordnung vom 6. Dezember 1827 §8 41—43 (Verordn.-Samml. für das Herzog- 
thum Nassau Bd. 3 S. 294). 
Hiernach ist der gegenwärtige Rechtszustand folgender: 
1. Die Kinder dürfen nicht ohne den für die öffentlichen Volksschulen vorge- 
schriebenen Unterricht gelassen werden. Das Maß der in diesen von dem Allgemeinen 
Landrecht als „gemeine Schulen“, von der späteren Gesetzgebung als „Elementar= und 
Volksschulen“ bezeichneten Schulen zu erlangenden Kenntnisse ist von dem Kultusminister 
angegeben in der Allgemeinen Verfügung über Einrichtung, Aufgabe und Ziel der 
Preußischen Volksschule vom 15. Oktober 1872 (Centralbl. für die gesammte Unterrichts- 
verwaltung S. 585; Oberverwaltungsgericht 11. März 1835, Entscheidungen Bd. 12 
S. 97). Die Schulen sind ein- oder mehrklassige, mit der Gliederung in Unter-, Mittel- 
und Oberstufe mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 20 bis 32 Stunden. Unter- 
richtsgegenstände sind Religion, Deutsch, Rechnen mit Raumlehre, Zeichnen, Realien 
(Geschichte, Geographie, Naturbeschreibung, Naturlehre), Gesang, Turnen, weibliche Hand- 
arbeiten. Der zeitliche Anfangs= und Endpunkt ist verschieden bestimmt. Das All- 
gemeine Landrecht läßt den Unterricht mit dem vollendeten fünften Lebensjahre beginnen 
und so lange fortgesetzt werden, bis das Kind nach dem Befunde seines Seelsorgers — 
jetzt der Schulaufsichtsbehörde, d. h. der Lokal- und Kreisschulinspektoren Kammer- 
gericht 21. Februar 1884, 31. Mai 1888, 16. Juni 1892, Johow Jahrbuch Bd. 5 S. 351, 
8 S. 226, 13 S. 376) — „die einem jeden vernünftigen Menschen seines Standes noth- 
wendigen Kenntnisse gefaßt hat" (§ 46 II. 12). In mehreren landrechtlichen Provinzen ist 
ein späterer Beginn der Schulpflicht angeordnet, auch die Dauer derselben bis zur Er- 
reichung eines bestimmten Lebensalters erstreckt worden. Z. B. für die Provinzen 
Ost= und Westpreußen hat § 2 der Schulordnung für die Elementarschulen der Provinz 
Preußen vom 11. Dezember 1845 (Ges.-Samml. 1846 S. 1) die Dauer des Schul- 
unterrichts bis zum vollendeten vierzehnten Lebensjahr festgesetzt, jedoch im Einzelfalle 
eine Erstreckung der Pflicht um ein bis zwei Jahre zugelassen. In Schleswig-Holstein 
dauert nach § 65 der Allgemeinen Schulordnung die Schulpflichtigkeit vom Anfange des 
sechsten oder spätestens siebenten Jahres bis zur Konfirmation, welche letztere, Dispen- 
sation vorbehalten, bei Knaben das vollendete sechzehnte, bei Mädchen das vollendete 
fünfzehnte, im Kreise Herzogthum Lauenburg und in denjenigen Gemeinden Nordschles- 
wigs, für welche das Dänische Kirchenrecht gilt, bei Knaben wie bei Mädchen das voll- 
endete vierzehnte Lebensjahr voraussetzt (Konsistorialschreiben vom 16. November 1874, 
und Konsistorialverfügung vom 13. Februar 1878, Kirchliches Amtsbl. des evang. luth. 
Konsistoriums zu Kiel 1874 S. 89 und 1878 S. 14). 
2. Die Eltern und deren Stellvertreter haben der Pflicht, ihren Kindern oder 
Pflegebefohlenen den für die öffentliche Volksschule vorgeschriebenen Unterricht zukommen 
zu lassen, dadurch zu genügen, daß sie dieselben in die Volksschule oder in eine öffent- 
 
	        
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