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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 21.
baren Handlung zugelassen ist, durch dieses Gesetz nicht berührt.“ Nach §8 86 ff. A. L.
R. II. 2, Reskript vom 11. März 1806 (Mathis Juristische Monatsschrift Bd. 10 S. 18),
vom 21. Januar 1830 (v. Kamptz Jchrbücher Bd. 35 S. 126) und vom 21. April 1831
(v. Kamptz Annalen Bd. 2 S. 369) können Eltern mit Genehmigung des vormund-
schaftlichen Gerichts, oder das Letztere auch gegen den Willen der Eltern, ungerathene
Kinder anderweitig zur Erziehung und Besserung an Anstalten oder zuverlässige Personen
übergeben. Auch der Code civil (I.9 §8 376 ff.) gestattet dem Vater, bei dem Prä-
sidenten des Bezirksgerichts (Landgerichts) auf — längstens sechsmonatliche — Ein-
sperrung ungerathener minderjähriger Kinder utragen. Wenn, so verordnet ein
Reskript vom 2. November 1873 Verwaltungs-Minis Bl. 1874 S. 19), wenn gegen
jugendliche, unter väterlicher Genocht oder unter vormundschaftlicher Nuusfsicht stehende
Personen, die sich keiner strafbaren Handlung schuldig gemacht haben, deren Vater jedoch
die Pflichten der Erziehung gröblich vernachlässigt, eingeschritten werden soll, so kann
dies nur durch Vermittelung des Vormundschaftsrichters geschehen, welcher dem Kinde
einen Kurator zu bestellen, die Verirrung des Kindes festzustellen und event. über die
Zwangsbesserung zu befinden hat. Die durch die Unterbringung der Kinder in eine
Besserungsanstalt entstehenden Kosten haben nicht den Charakter von Polizeikosten,
sondern fallen dem Vater und, falls dieser im Sinne der Armengesetzgebung als unter-
stützungsbedürftig zu betrachten ist und sonach der Beihilfe der öffentlichen Armenpflege
bedarf, dem Ortsarmenverbande zur Last.
7. Steht auch hauptsächlich dem Vater die Anordnung der Art der Erziehung
seines Kindes zu, und muß darnach demselben die Bestimmung borüber überlassen bleiben,
ob das Kind im Hause den mindestens für öffentliche Volksschulen vorgeschriebenen
Unterricht erhalten oder die öffentliche Schule selbst besuchen soll, so unterliegt doch,
falls der Vater sich für die letztere Alternative entscheidet und das Kind in die Schule
aufgenommen worden ist, der Umfang und die Art des dem Kinde daselbst zu ertheilenden
Unterrichts lediglich den Anordnungen der zuständigen Schulbehörde. Keineswegs ist
der Vater befugt, eigenmächtig in die von der Schulbehörde festgesetzte Schulordnung
einzugreifen, insbesondere das Kind an dem Besuche einzelner Lehrstunden, entgegen
den von der Schulbehörde getroffenen Bestimmungen, zu hindern. Eine Ausnahme
findet statt bezüglich des Religionsunterrichts. Dieser kann eben wegen seines Gegen-
standes nicht mit dem anderen Unterrichte auf gleiche Stufe gestellt werden, weil er
nämlich je nach der Konfession verschieden gestaltet sein muß, während der unterricht in
den anderen Gegenständen des Wissens, wenngleich er dem Schüler nicht Alles vorführen
darf, was wahr ist, in Allem, was er vorführt, sich nur von den Gesetzen der partei-
und konfessionslosen Wissenschaft darf leiten lassen. Nur hierdurch wird die Vorschrift
des Abs. 2 in Art. 24 verständlich, daß den religiösen Unterricht in der Volksschule die
betreffenden Religionsgesellschaften leiten, wogegen dieselbe unverständlich wäre, wenn
der Religionsunterricht ein Unterricht wie jeder andere Unterricht, die Religion für die
Schule nur ein Gegenstand des Wissens, nicht auch des Glaubens sein sollte. Hiermit
steht in Uebereinstimmung die — wegen des Wesens des Religionsunterrichts auch
unaus nn zu befolgende — Vorschrift des Allgemeinen Landrechts in
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Rinder, die in einer andern Religion, als welche in der öffentlichen Schule
gelehrt wird, nach den Gesetzen des Staats erzogen werden sollen, können dem
Religionsunterrichte in derselben beizuwohnen nicht angehalten werden.
Die Frage, welche „andere Religion“ in Betracht komme, ist beantwortet in den
weiteren Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts II. 2:
8 74.
Die Anordnung der Art, wie das Kind erzogen werden soll, kommt haupt-
sächlich dem Vater zu.
8 76.
Dieser muß vorzüglich dafür sorgen, daß das Kind in der Religion und
nützlichen Kenntnissen den nöthigen Unterricht, nach seinem Stande und Umständen,
erhalte.
Ferner kommt hierbei in Betracht die zu § 76 A. L. R. II. 2. ergangene
Deklaration vom 21. November 1803, wegen des den Kindern aus
Ehen zwischen Personen verschiedenen Glaubensbekenntnisses zu
ertheilenden Religionsunterrichts (Ges.-Samml. 1825 S. 221).
Seine Königl. Majestät von Preußen 2c. haben in Erwägung gezogen, daß