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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 21.
Landrecht Theil II. Titel 2) auch die Sorge dafür, daß das Kind während des
religionsunmündigen Alters nicht ohne Unterricht in der Religion gelassen wird.
Ew. Exzellenz ersuche ich hiernach ganz ergebenst, die dortige Königliche Re-
gierung mit Weisung zu versehen.
An
den Königlichen Oberpräsidenten zu N.
Abschrift erhält die Königliche Regierung zur Kenntnißnahme und Nach-
achtung.
Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten.
An Graf von Zedlitz.
die Königlichen Regierungen.
Erkenntniß des Kammergerichts.
In der Strafsache
gegen
den 2c., Dissident,
wegen Uebertretung gegen die Polizeiverordnung des Oberpräsidenten der
Provinz Sachsen vom 24. März 1881,
hat
auf die von dem Angeklagten gegen das Urtheil der II. Strafkammer des
Höniglichen Landgerichts zu Naumburg a. S. vom 2. Februar 1893 eingelegte
evision
der Strafsenat des Königlichen Kammergerichts zu Berlin in seiner Sitzung vom
17. April 1893, an welcher theilgenommen haben
2c. 2c.
für Recht erkannt:
daß die Revision des Angeklagten gegen das Urtheil der II. Strafkammer des
Königl. Landgerichts zu Naumburg a. S. vom 2. Februar 1893 zurückzuweisen
und die Kosten des Rechtsmittels dem Angeklagten aufzuerlegen sind.
Gründe.
Die Revision des Angeklagten, welche Verletzung materiellen Rechts behauptet
und die Rechtsbeständigkeit des Erlasses des Kultusministers vom 16. Januar 1892
bestreitet, sich insbesondere auf § 11 Theil II Tit. 12 des Allgemeinen Landrechts,
auf das Gesetz vom 14. Mai 1873, betreffend den Austritt aus der Kirche, auf die
88 1 bis 4 Theil II Tit. 11 des Allgemeinen Landrechts, Art. 12 der Preuß. Ver-
fassung, § 78 Theil II Tit. 2 des Allgemeinen Landrechts, auf das Gesetz vom
3. Juli 1869, betreffend die Gleichberechtigung der Konfessionen in bürgerlicher und
staatsbürgerlicher Beziehung, beruft, kann für begründet nicht erachtet werden.
Die Feststellung des Schöffengerichts, welche der Berufungsrichter aufrecht
erhalten hat, und welche dahin geht:
daß der Angeklagte am 7., 9. und 10. November 1892 zu Hohenmölsen seinen
Sohn Wilhelm je die * Unterrichtsstunde in der dortigen Volksschule, in
welcher bestimmungsgemäß evangelischer Religionsunterricht ertheilt wird, hat
versäumen lassen, ohne vorherige Erlaubniß eingeholt oder eine ausreichende
Entschuldigung beigebracht zu haben,
ist ohne Rechtsirrthum erfolgt und rechtfertigt die Anwendung der Polizeiverordnung
des Oberpräsidenten der Provinz Sachsen vom 24. März 1881, betreffend die Be-
strafung der Schulversäumnisse in den Elementarschulen der Provinz Sachsen (Amts-
blatt der Regierung zu Merseburg 1881, Seite 140).
Nach § 1 t Verordnung „bedarf jedes Kind zu einer Versäumniß der
Schule, auch auf die kürzeste Zeit, einer Erlaubniß, sofern es nicht durch eigene
Krankheit an dem Besuch der Schule gehindert wird“, und nach § 6 werden „Schul-
versäumnisse, für welche wegen Krankheit oder aus einem andern triftigen Hinderungs-
rund weder vorher die Erlaubniß eingeholt, noch binnen 3 Tagen eine ausreichende
Kutschuldigung beigebracht ist, an den Eltern 2rc. mit einer Geldstrafe von 50 Pf.
bis 3 Mk., an deren Stelle im Unvermögensfalle verhältnißmäßige Haft tritt, für
jeden Tag, an welchem eine Schulversäumniß stattgefunden hat, geahndet".
Hiernach ist die Ausführung des Berufungsrichters, daß der Angeklagte, weil
er die Erlaubniß zur Schulversäumniß seines Sohnes für den Religionsunterricht