Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 24. 101 
das Reskript vom 5. November 1879 (ebenda 1880 S. 228) bezüglich der Handhabung 
des 
NV — 
Grundsatzes bereits gemildert, lautet: 
Berlin, den 18. Februar 1876. 
Aus Anlaß einer Reihe bei mir angebrachter Beschwerden hatte ich die 
Königlichen Regierungen mittelst Verfügung vom 6. Oktober v. J. zu einer näheren 
Erörterung verschiedener Gesichtspunkte veranlaßt, welche in Betreff des katholischen 
Religionsunterrichts in den Volksschulen zu beachten seien. 
Nach Prüfung der hierauf erstatteten Berichte bezeichne ich folgende Gesichts- 
punkte als diejenigen, von welchen bei der Behandlung des gedachten Unterrichts 
fortan auszugehen ist: 
Der schulplanmäßige Religionsunterricht wird in der Volksschule von den vom 
Staate dazu berufenen oder zugelassenen Organen unter seiner Aufsicht ertheilt. 
Die Ertheilung des Unterrichts liegt in erster Linie den an der Schule angestellten 
Lehrern und Lehrerinnen ob, welche in der vorgeschriebenen Prüfung die Befähigung 
dafür nachgewiesen haben. Dasselbe gilt von denjenigen Geistlichen, welche, wie 
dies in einzelnen Gegenden noch vorkommt, gleichzeitig als Lehrer an Volksschulen 
angestellt sind. . 
Wo es bisher üblich war, den schulplanmäßigen Religionsunterricht zwischen dem 
angestellten Lehrer und dem Pfarrer oder dessen ordentlichem Vertreter (Vikar, 
Kaplan) dergestalt zu theilen, daß Ersterer die biblische Geschichte, Letzterer den 
Katechismus übernimmt, kann es unter der Voraussetzung auch fernerhin dabei 
bewenden, daß der Geistliche in Bezug auf seine Stellung zum Staat der Schul- 
aufsichtsbehörde kein Bedenken erregt und allen ressortmäßigen Anordnungen der- 
selben, insbesondere hinsichtlich der Voorbücher, der Vertheilung des Unterrichtsstoffes 
auf die einzelnen Klassen, der Schulzucht und pünktlichen Innehaltung der Lehr- 
stunden pflichtmäßig entspricht. 
Demgemäß nd Geistliche, welchen wegen Nichterfüllung einer dieser Vor- 
aussetzungen die Kreis= oder Lokalschulinspektion hat entzogen, oder welche von der 
Leitung des schulplanmäßigen Religionsunterrichts haben ausgeschlossen werden 
müssen, selbstredend auch von der Ertheilung desselben auszuschließen. 
4. An Orten mit konfessionell gemischter Bevölkerung, in welchen ein katholischer 
Lehrer nicht vorhanden ist, kann der gesammte Religionsunterricht, wenn es bisher 
so üblich war, unter den zu 3. erwähnten Voraussetzungen auch ferner den Geist- 
lichen überlassen werden. 
D„Ueber Differenzen zwischen dem Geistlichen und dem Lehrer in Betreff des Religions- 
6. 
unterrichts entscheidet die Schulaufsichtsbehörde. 
In den Fällen, wo es an einem vorschriftsmäßig geprüften Lehrer mangelt, be- 
stimmt die Königliche Regierung, wem die Ertheilung des Religionsunterrichts in 
der Schule zustehen soll, insbesondere, ob dazu der Verwalter der Stelle oder ein 
Geistlicher aushilfsweise zu wählen sei. Es sind dabei in jedem einzelnen Falle 
alle in Betracht kommenden Verhältnisse sorgfältig zu erwägen. 
Ein Geistlicher darf auch in solchen Fällen nur dann zugelassen werden, 
wenn in Betreff seiner die zu 3. bezeichneten Voraussetzungen zutreffen. 
. Anlangend die Leitung des Religionsunterrichts, so ist von mir wiederholt darauf 
hingewiesen worden, daß dieselbe nach Art. 24 der Verfassungsurkunde vom 31. 
Januar 1850 den Religionsgesellschaften zustehen soll, daß jedoch einerseits dieser 
Artikel erst der näheren Bestimmung seines Inhalts durch das nach Art. 26 da- 
selbst zu erlassende Unterrichtsgesetz bedarf, daß indeß andererseits Nichts im Wege 
steht, die darin enthaltene allgemeine Norm insoweit zur Anwendung zu bringen, 
als dies die bestehenden Gesetze und die staatlichen Interessen gestatten. 
Danach hat kein einzelner Geistlicher ohne Weiteres ein Recht, diese Leitung 
zu beanspruchen; es ist jedoch in der Regel, und solange die kirchlichen Oberen ein 
anderes Organ dazu nicht bestimmen, der gesetzlich bestellte Ortspfarrer als das 
zur Leitung des Religionsunterrichts berufene Organ zu betrachten. Sowohl der 
Ortspfarrer als auch der sonst von dem kirchlichen Oberen zur Leitung des Religions- 
unterrichts bestimmte Geistliche darf aber dieselbe nur ausüben, solange er durch 
sein Verhalten nicht diejenigen Zwecke gefährdet, welche der Staat mit der Erziehung 
der Jugend durch die Volksschule verfolgt. 
ritt ein solcher Fall ein, so hat die staatliche Aufsichtsbehörde dem Geistlichen zu 
eröffnen, daß er zur Leitung des Religionsunterrichts nicht ferner zugelassen werden 
könne. Der Beschluß ist gleichzeitig zur Kenntniß des kirchlichen Oberen mit dem
	        
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