Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 24. 
Anheimgeben zu bringen, der staatlichen Aufsichtsbehörde einen anderen Delegirten 
zu bezeichnen. Findet bie staatliche Aufsichtsbehörde gegen denselben Nichts zu 
erinnern, so ist derselbe zur Leitung des Religionsunterrichts zuzulassen. 
9. Der als Organ der betreffenden Religionsgesellschaft anerkannte Pfarrer oder sonstige 
Geistliche ist berechtigt, dem schulplanmäßigen Religionsunterricht in den dafür fest- 
gesetten Stunden beizuwohnen, durch Fragen und, soweit erforderlich, stellenweises 
ingreifen in den Unterricht sich davon zu überzeugen, ob dieser von dem Lehrer 
vollssändig und sachgemäß ertheilt wird, und welche Fortschritte die Schüler darin 
gemacht haben, ferner den Lehrer (jedoch nicht in Gegenwart der Kinder) sachlich 
u berichtigen, Wünsche und Beschwerden in Bezug auf den Religionsunterricht der 
staatlichen Aufsichtsbehörde vorzutragen und endlich bei der Entlassungsprüfung, 
wo eine solche stattfindet, nach vorherigem Examen die Censur in der Religion mit 
festzustellen. 
10. Durch die zu 9 bezeichneten Befugnisse wird Nichts geändert in dem Rechte der 
Aufsicht, welches der Staat durch seine Organe in Gemäßheit des Gesetzes vom 
11. März 1872 über den gesammten Unterricht einer jeden Schule und damit auch 
über den katholischen Religionsunterricht in der Volksschule zu üben hat. 
Diese Organe haben somit auch das Recht, dem gedachten Unterricht beizu- 
wohnen. Sie haben darauf zu achten, daß er zu den im Lehrplane angesetzten 
Stunden und nach Maßgabe der allgemeinen, von der Schulaufsichtsbehörde er- 
lassenen Bestimmungen ertheilt werde. Eine Einwirkung auf den sachlichen Inhalt 
der Religionslehre steht aber der staatlichen Schulaufsichtsbehörde nur insoweit zu, 
als die Religionslehre Nichts enthalten darf, was den bürgerlichen und staats- 
bürgerlichen Pflichten zuwiderläuft (Art. 12 der Verfassungsurkunde vom 31. Jannar 
1850 und 88 13, 14 II. 11 A. L. R.). 
11. Durch den kirchlichen Beicht= und Kommunionunterricht darf der schulplanmäßige 
Unterricht nicht in unzulässiger Weise beeinträchtigt werden. Allgemeine Normen 
über die Grenze des Zulässigen lassen sich nicht ertheilen. Es folgt jedoch aus dem 
Bemerkten, daß jede Verkürzung des schulplanmäßigen Unterrichts, welche auf einen 
bestimmten Zeitraum erfolgen soll, um dem gedachten kirchlichen Unterricht den ge- 
wünschten Raum zu verschaffen, einer Genehmigung der Königlichen Regierung 
bedarf. Sie wird nach genauer Prüfung der gegebenen Verhältnisse und nach vor- 
heriger Erörterung mit den Betheiligten in jedem einzelnen Falle dasienige anzu- 
ordnen haben, was einerseits die ordnungsmäßige Ertheilung des kirchlichen Unter- 
richts thunlichst ermöglicht, andererseits aber keine Einrichtung zuläßt, welche es 
ausschließt, daß die betreffenden Kinder die von der Schule zu erstrebenden giele 
für alle wesentlichen Unterrichtsfächer innerhalb der bestimmten Zeit erreichen. 
12. Die Benutzung des Schullokals zu dem sub 11 erwähnten kirchlichen Unterricht ist 
von der Schulaufsichtsbehörde nur zu versagen, wenn entweder der Schulunterricht 
durch solche Benutzung eine Beeinträchtigung erleidet, oder wenn ein von der Leitung 
oder Ertheilung des schulplanmäßigen Religionsunterrichts ausgeschlossener Geistlicher 
begründeten Verdacht erweckt, daß er den kirchlichen Unterricht benutze, um den 
schulplanmäßigen Unterricht zu ertheilen. 
Der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten. 
An Falk. 
die Königlichen Regierungen. 
.Nach der Instruktion für die Generalsuperintendenten vom 14. Mai 1829 sub 6 f. 
(v. Kamptz Annalen Bd. 13 S. 279) gehört zu den Pflichten und Befugnissen der Ge- 
neralsuperintendenten auch die Beaufsichtigung der religiösen Seite des höheren Schul- 
wesens. In dem an die evangelischen Bischöfe und Generalsuperintendenten zu Wies- 
baden, Schleswig und Altona gerichteten Erlaß vom 9. November 1868 (Centralblatt für 
die gesammte Unterrichtsverwaltung 1869 S. 49) erklärt der Kultusminister diese An- 
ordnung auch für die neupreußischen Landestheile als maßgebend. 
In der Provinz Schleswig-Holstein sind die Generalsuperintendenten befugt, die 
Schullehrerseminarien hinsichtlich des Religionsunterrichts außerordentlich zu revidiren, 
und haben als Kommissare des Konsistoriums an den Abgangsprüfungen der Seminarien 
Theil zu nehmen, sowie bei Feststellung der Censuren für den Religionsunterricht mit 
dem die Prüfung leitenden Departementsrath des Provinzial-Schulkollegiums gleiches 
Stimmrecht auszuüben (Erlaß vom 6. August 1869, Centralblatt für die gesammte Unter- 
richtsverwaltung S. 482).
	        
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