Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 30. 31. 109 
Artikel 30. 
Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche 
den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen. 
Das Gesetz regelt, insbesondere zur Aufrechthaltung der öffent- 
lichen Sicherheit, die Ausübung des in diesem und in dem vorstehen- 
den Artikel (29) gewährleisteten Rechts. 
Politische Vereine können Beschränkungen und vorübergehenden 
Verboten im Wege der Gesetzgebung unterworfen werden. 
A. Art. 29 und 30 finden auf das Heer nur insoweit Anwendung, als die militärischen 
Gesetze und Disziplinarvorschriften nicht entgegenstehen (Art. 39), und können im Fall 
des Belagerungszustandes, Krieges oder Aufruhrs außer Kraft gesetzt werden (Art. 111). 
B. Zur Ausführung dieser beiden Artikel ist bestimmt die Verordnung über die Verhütung 
eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs- 
und Vereinigungsrechtes vom 14. März 1850 (Ges.-Samml. S. 277). Siehe dieselbe 
unter sub Nr. III. 
Artikel 31. 
Die Bedingungen, unter welchen Korporationsrechte ertheilt oder 
verweigert werden, bestimmt das Gesetz. 
A. Die Rechtsfähigkeit eines jeden Subiektes setzt die Anerkennung durch die Rechtsordnung 
voraus. Daher ist zur Entstehung einer juristischen Person erforderlich, daß entweder 
durch eine allgemeine, ein für alle Mal aufgestellte Rechtsregel gewissen Personen- 
vereinigungen, Anstalten oder Vermögensinbegriffen diese Auerkennung zu Theil geworden 
ist, oder daß die Verleihung der cchtsfähigseit im einzelnen Falle durch die Staats- 
gewalt erfolgt. Eine allgemeine Rechtsregel, daß jede Vereinigung mehrerer Personen, 
welche als solche Rechtssubjekt sein will soder jede Anstalt, jeder Vermögensinbegriff), 
als Korporation zu betrachten sei, sofern sic erlaubte, nicht vorübergehende Zwecke ver- 
solgt und eine entsprechende Organisation besitzt, existirt nicht. Um die Exekutivgewalt 
bei der Entscheidung über die Verleihung in bestimmte Grenzen einzuschließen, einer 
regellosen Willkür Schranken zu setzen, sollen durch ein zu erlassendes Gesetz allgemeine 
Vorschriften über die Ertheilung oder Verweigerung der Korporationsrechte gegeben 
werden. Dies auszudrücken ist die Absicht des Art. 31. 
B. Das in Art. 31 verheißene Gesetz bezieht sich nicht auf diejenigen Personenvereinigungen, 
Anstalten, Vermögensinbegriffe, welche durch eine — der Preußischen oder der Reichs- 
esetzgebung angehörige — allgemeine Rechtsregel als juristische Personen anerkiannt 
1 Dahin gehören das Deutsche Reich, die Deutschen Kolonialgesellschaften, die 
Reichsbank, das Archäologische Institut, der Preußische Staat, die Provinzen, die 
kommunalständischen Verbände (Kurmark, Niederlausitz, Oberlausitz und die sieben Pro- 
vinziallandschaften der Provinz Hannover), die Kreise, Stadtgemeinden, Dorfgemeinden, 
die kaufmännischen Korporationen und die Handelskammern (Verzeichniß derselben im 
Justizministerialblatt 1891 S. 294), die Eisenbahngesellschaften, die Erwerbs= und Wirth- 
schaftsgenossenschaften, die Genossenschaften zur Förderung der Landeskultur (Wasser- 
genofsenschaften, Deichverbände, Maldcgenossenschaften Holzungsgemeinschaften, Hauberge, 
Realgemeinden in der Provinz Hannover, Fischereigenossenschaften), die öffentlichen 
Schulen, die gehörig organisirten Schulsocietäten, die Akademie der Wissenschaften, 
die Akademie der Künste, die Stiftungen, die Familienstiftungen, die kommunalen Armen- 
verbände, nichtkommunalen öffentlichen Armenanstalten, gemeinschaftlichen Wittwen--, 
Sterbe- und Aussteuerkassen, eingeschriebenen Hilfskassen, gewerblichen Unterstützungs- 
kassen, die Orts--, Betriebs- und Bau-Krankenkassen, die Berufsgenossenschaften der Unfall- 
versicherung, die Versicherungsanstalten der Invaliditäts= und Altersversicherung, die 
Knappschaftsvereine und Bergbau-Hilfskassen, die drei großen Berliner Freimaurerlogen 
und deren Töchterlogen. 
Außerdem bezieht sich das verheißene Gesetz nicht auf diejenigen Gesellschaften, 
bezüglich deren die Verfassungsurkunde bereits Bestimmung getroffen hat, nämlich die
	        
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