I. Verfassungsurkunde vom 31. Jannar 1850. Art. 33. 113
durch den zuständigen Richter erfolgt, Polizei und Staatsanwaltschaft also zur
eigenmächtigen Eröffnung nicht befugt sind, die Polizei auch nicht zur Beschlag-
nahme.
Das Gesetz vom 28. Oktober 1871 bestimmt in § 50, daß durch ein von
dem Reichskanzler zu erlassendes Reglement, welches mittels der für die Publikation
amtlicher Bekanntmachungen bestimmten Blätter zu veröffentlichen ist, die weiteren
bei Benutzung der Postanstalt zu beobachtenden Vorschriften getroffen werden, und
daß diese Vorschriften als Bestandtheil des Vertrages zwischen der Postanstalt und
dem Absender bezw. Reisenden gelten sollen. Auf Grund dieser Vorschrift hat der
Reichskanzler die Postordnung vom 8. März 1879 erlassen (Centralblatt für das
Deutsche Reich S. 185), welche in §§ 31, 40 III. nähere dienstliche Anweisung trifft.
Ist durch die gänzliche Lösung des Siegels oder anderweiten Verschlusses einer Sen-
dung mit baarem Gelde oder mit geldwerthen Papieren die Herausnahme des In-
halts der Sendung möglich geworden, so wird vor Herstellung des Verschlusses erst
festgestellt, ob der angegebene Betrag der Sendung noch vorhanden ist, wobei die
Postbeamten sich jeder über den Zweck der Eröffnung hinausgehenden Einsicht der
Sendung zu enthalten haben. Sendungen mit Drucksachen oder mit Waarenproben
zum Zweck der Prüfung über die Zulässigkeit des ermäßigten Portos zu öffnen und
einzusehen, sind die Postbeamten ohne weiteres Verfahren befugt (8 31). Unbestell-
bare Postsendungen sind nach dem Aufgabeort zurückzusenden. Kann die Post-
anstalt am Abgangsorte den Absender nicht ermitteln, so wird die Sendung an die
vorgesetzte Oberpostdirektion eingesandt, welche dieselbe mittels Stempels als un-
bestellbar zu bezeichnen und durch Eröffnung den Absender zu ermitteln hat. Die
mit der Eröffnung beauftragten, zur Beobachtung strenger Verschwiegenheit be-
sonders verpflichteten Beamten nehmen Kenntniß von der Unterschrift und von dem
Orte, von welchem die Sendung datirt ist, müssen jedoch weiterer Durchsicht sich
enthalten. Die Sendung wird hiernächst mittels Siegelmarke oder Dienstsiegel,
welche eine entsprechende Inschrift tragen, wieder verschlossen (§ 40 III.). — Ganz
unbedenklich sind diese reglementarischen Bestimmungen nicht, weil sowohl das Post-
gesetz als auch § 354 des Strafgesetzbuchs verlangen, daß die Ausnahmen von der
Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses durch Gesetz festgestellt werden, während das
Reglement zwar vom Gesetz vorgesehen, aber doch nicht selbst Gesetz ist, ja nach dem
§ 50 cit. sein Inhalt als vermutheter Vertragsinhalt zu gelten hat. Will aber die
Post die ihr anvertrauten Sendungen vor Verlust sichern und im Falle der Unbe-
stellbarkeit dem Mandanten zurückgeben, was ein geordneter Dienstbetrieb mit Noth-
wendigkeit verlangt, so sind jene reglementarischen Ausnahmen eben durch den
Dienstbetrieb geboten und insofern für von dem Gesetzgeber gewollt anzusehen.
Die Verletzung des Brief= und Telegraphengeheimnisses seitens der Post-
und Telegraphenbeamten wird nach 88 354, 355, 358, die seitens Anderer nach
§ 299 Strafgesetzb. bestraft.
B. Wie v. Rönne (Bd. 2 § 154 S. 51 Anmerk. 4 b) treffend bemerkt, fällt das Brief-
geheimniß keineswegs zusammen mit dem Amtsgeheimniß, zu dessen Wahrung die Post-
beamten gleich allen anderen öffentlichen Beamten verpflichtet sind. Gegenstand des
Briefgeheimnisses ist nur derjenige Inhalt der Postsendung, von welchem, abgesehen von
den im Postreglement bezeichneten Ausnahmen, auch die Postbeamten selbst nicht
Kenntniß nehmen dürfen. Somit erstreckt sich das Briefgeheimniß weder auf diejenigen
Angaben, welche sich auf den Adressen der Sendungen oder selbst auf den Brief-
umschlägen r2c. befinden, noch auf die in unverschlossenen Sendungen, z. B. auf Post-
karten enthaltenen Mittheilungen. Diese Angaben und Mittheilungen sind zwar Gegen-
stand des Amtsgeheimnisses, das letztere schließt aber nur die Ertheilung einer Auskunft
an unberufene Personen aus. Demzufolge sind der Richter wie nicht minder der Staats-
anwalt befugt, über die von den Postbeamten amtlich in Erfahrung gebrachten, dem
Amtsgeheimniß unterliegenden Thatsachen, z. B. über den Eingang eines Briefes oder
den Inhalt einer Postkarte Auskunft zu verlangen und von den die Postsendungen be-
treffenden Eintragungen in die amtlichen Bücher Kenntniß zu nehmen, mag nun die
Auskunft von dem erkennenden Gericht oder, im Wege des Ersuchens, vom Untersuchungs-
richter oder Staatsanwalt gefordert werden (§8 53, 159, 197 Strafprozeßordnung). Die
gleiche Befugniß haben nach § 161 Strafprozeßordnung die Beamten des Polizei= und
Sicherheitsdienstes. Anders steht die Sache aber bei dem Telegraphengeheimniß. Dieses
deckt sich nämlich mit dem Amtsgeheimniß, da die Telegraphenbeamten von dem Inhalt
des Telegramms mit Nothwendigkeit Kenntniß bekommen. Daher darf von dem Inhalt
Schwarg, Preußische Verfassungsurkunde. 8