128 I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 45.
Auf die Landeskirchen der im Jahre 1866 mit der Monarchie vereinigten
Territorien ist die Zuständigkeit des Oberkirchenraths nicht erstreckt, und die kirchen-
regimentlichen Befugnisse werden hier, soweit sie nicht dem Landesherrn als summnus
episcopus vorbehalten sind, durch den Kultusminister ausgeübt. Mit dieser Modi-
fikation sind für die neuen Provinzen entsprechende Bestimmungen getroffen. Die-
selben befinden sich in dem
Gesetz, betreffend die evangelische Kirchenverfassung in der Provinz
Schleswig-Holstein und in dem Amtsbezirke des Konsistoriums zu Wiesbaden,
vom 6. April 1878 (Ges.-Samml. S. 145, in Kraft getreten für Helgoland
am 1. April 1892 nach Gesetz, betreffend den Anschluß der Kirchengemeinde
Helgoland an die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz Schleswig-Holstein,
vom 31. März 1892, Ges.-Samml. S.73; dazu Verordnung vom 19. August 1878,
Ges.-Samml. S. 2387); 6
Gesetz, betreffend die Kirchenverfassung der evangelisch-reformirten Kirche
der Provinz Hannover, vom 6. August 1883 (Ges.-Samml. S. 295; dazu
Verordnungen vom 25. Juli 1884, Ges.-Samml. S. 3.9; die evangelisch-
lutherische Kirche Hannovers entbehrt noch der Autonomie):
Gesetz, betreffend die Kirchenverfassung der evangelischen Kirche im Be-
zirke des Konsistoriums zu Cassel, vom 19. März 1886 (Ges.-Samml. S. 79;
dazu Verordnung vom 10. Januar 1887, Ges.-Samml. S. 7);
Gesetz, betreffend die Kirchengemeindcordnung für die evangel. -lutherischen
Kirchengemeinden Bornheim, Oberrad, Niederrad, Bonames, Niederursel und
Hausen, vom 2. Juni 1890 (Ges.-Samml. S. 183; dazu Verordnung vom
13. Januar 1891, Ges.-Samml. S. 7).
3. Die Ernennung und Entlassung von Ministern ist allerdings ein Regierungsakt,
muß aber auch ohne die ministerielle Kontrasignatur für gültig erachtet werden,
wenn sich nämlich kein Minister zur Gegenzeichnung bereit findet. Insbesondere
also, wenn im Fall der Entlassung sämmtlicher Minister diese die Gegenzeichnung
ihrer eigenen Entlassung und der Ernennung der neuen Minister verweigern.
Sollte die Gegenzeichnung auch hier absolutes Erfordermi sein, so könnte dem Mo-
narchen die Entlassung bezw. Ernennung unmöglich gemacht werden. v. Rönne
Bd. 1 § 99 S. 132 Anmerk. 2, Arndt zu Art. 441 Anmerk. 2, v. Sten gel
S. 103, Meyer Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts § 84 S. 187 Anmerk. 14
erklären dies für nicht zutreffend, da die neuen Minister selbst kontrasigniren könnten.
Sie übersehen aber, daß die Ernennung, um gültig zu sein, von einem Minister
kontrasignirt sein muß, die neuen Minister also erst dann Minister sind, nachdem
ihre Ernennung von einem Minister kontrasignirt ist; sie sind nicht schon Minister
während der Kontrasignatur, sondern werden es erst durch die Kontrasignatur.
Es bleibt somit ein Hiatus, der eventuell von dem Erforderniß der Gegenzeichnung
abzusehen nöthigt. Ebenso v. Gerber Grundzüge des Deutschen Staatsrechts
3. Aufl. § 33 S. 102 Anmerk. 2.
Artikel 45.
Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu. Er er-
nennt und entläßt die Minister. Er befiehlt die Verkündigung der
Gesetze und erläßt die zu deren Ausführungen nöthigen Verordnungen.
A. Der Monarch, welcher alle Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigt, ist bei der Aus-
übung der gesetzgebenden und der Finanzgewalt, sowie in gewissem Umfange bei der
Regelung der Beziehungen der Monarchie zu anderen Staaten an die Zustimmung des
Landtages gebunden, im Uebrigen aber bei der Handhabung der vollziehenden Gewalt
nur durch das Gesetz — die Verfassungsurkunde und die Specialgesetze — beschränkt,
unter der Verantwortlichkeit seiner Minister. Dem Landtage ist lediglich die Möglichkeit
einer Kontrole gegeben, von welcher das sich vorzugsweise als Wächter der Verfassung
und der verfassungsmäßigen Rechte betrachtende Abgeordnetenhaus bei der Budgetbe-
rathung einen umfangreichen Gebrauch macht. Ebensowenig sind in Preußen nach
Englischem Vorbilde die Minister als geschäftsführender Ausschuß des Landtages oder
eines der beiden Häuser desselben zu betrachten, so dam der Monarch sie der im Land-
tage herrschenden Partei entnehmen und je nach dem Wechsel der Parteimajorität ent-