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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 45.
Nach der Verfassung hat der König das Recht zur Organisation der Ver-
waltungsbehörden. Beruht die Organisation einer Behörde auf Gesetz, so kann sie
bloß durch Gesetz abgeändert werden. Soll in dem Umfange der materiellen
Regierungsrechte etwas abgeändert werden, eine Einschränkung oder Erweiterung
denselden eintreten, so kann dies nur im Wege der Gesetzgebung geschehen. Endlich
wird der Landtag da gehört werden müssen, wo die Geldfrage ins Spiel kommt
und die Regierung die Bewilligung dieser Mittel durch den Landtag in Anspruch
nimmt.
Hiernach kann die Entscheidung schwierig nur dann sein, wenn einerseits die
Geldfrage nicht ins Spiel kommt, andererseitig aber zweifelhaft ist, ob die von einer
Veränderung zu treffende Behörde auf Gesetz oder auf Verordnung beruht. Dies gilt
insbesondere bei Veränderungen in der Organisation und Kompetenz der Ministerien.
Die Grundordnung, auf welcher noch das gegenwärtige Ministerialsystem beruht, ist die
Verordnung über die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden vom
27. Oktober 1810 (Ges.-Samml. S. 3). An diese haben sich zahlreiche Verordnungen,
Bekanntmachungen, Allerhöchste Erlasse, Kabinetsordres, Verfügungen, Deklarationen
und wie die Erlasse weiter heißen, auch sogar zwei unzweifelhafte Gesetze angeschlossen,
nämlich das Gesetz, betreffend Abänderungen der gesetzlichen Bestimmungen über die
Zuständigkeit des Finanzministers, des Ministers für die landwirthschaftlichen Angelegen-
heiten und des Ministers für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, vom 13. März 1879
(Ges.-Samml. S. 123) und das Gesetz, betreffend Abänderungen der gesetzlichen Bestim-
mungen über die Zuständigkeit des Ministers der öffentlichen Arbeiten und des Ministers
für Handel und Gewerbe, vom 26. März 1890 (Ges.-Samml. S. 37). Aber die betr.
Organisationsveränderungen sind nicht durch diese beiden Gesetze, sondern durch die Aller-
höchsten Erlasse vom 7. August 1878 (Ges.-Samml. 1879 S. 25) und 17. Februar 1890
(Ges.-Samml. S. 35) angeordnet, und die Gesetze selbst haben eine besondere Veranlassung.
Durch die Ressortveränderungen sind nämlich eine Anzahl bestehender Gesetze insofern
berührt worden, als diese Gesetze Bestimmungen über Zuständigkeiten der Ministerialinstanz
enthalten und dabei ausdrücklich denjenigen Minister benennen, welcher dieselben aus-
zuüben hat. Obwohl nun aus der Natur der Sache folgt, daß die Benennung nur
deshalb geschehen ist, weil dem betreffenden Minister bei Erlaß des betreffenden Gesetzes
die Leitung des Verwaltungszweiges, um den es sich gerade handelte, zustand, und ob-
leich hieraus weiter folgt, daß ein späterer Wechseh in der Leitung des betreffenden
erwaltungszweiges den Wechsel in der Zuständigkeit nach sich iesen müsse, so hat es
sich doch empfohlen, dies im Wege der Gesetzgebung ausdrücklich festzusetzen, um für die
Zukunft über die Kompetenzverhältnisse keine Zweifel aufkommen zu lassen und jede
Rechtsunsicherheit auszuschließen (Stenogr. Bericht des Abgeordnetenhauses 1878/1879
S. 158 und Anlageband Nr. 30 S. 236). Die beiden Gesetze erbringen also nichts zu
der Frage, und es ist schwer verständlich, wie v. Rönne B-d. 1 §8 98 S. 428 ff. in dem
Gesetze vom 13. März 1879 einen Präzedenzfall erblicken mag. Die durch die ge-
nannten beiden Gesetze sanktionirten Abänderungen können natürlich nicht durch König-
lichen Erlaß, sondern nur durch ein neues Gesetz beseitigt oder abgeändert werden, denn
sie sind ja eben durch ein Gesetz sanktionirt. Aber ob auch die Verordnung vom 27. Ok-
tober 1810 ein Gesetz, ob es auch die weiteren Erlasse bis zur Emanation der Ver-
fassung sind, das mit Sicherheit zu entscheiden, ist nicht möglich, wogegen die zahlreichen
Erlasse seit jener Emanation mit Ausnahme der irrelevanten Gesetze vom 13. März 1879
und 26. März 1890 keine Gesetze sind. Daher muß Mangels entgegenstehender Be-
stimmungen angenommen werden, daß die Organisationsgewalt hinsichtlich der Mi-
nisterien nur budgetmäßig beschränkt ist. Der Ressortveränderung folgt die Kompetenz-
veränderung, so daß, wenn die Krone Ressortveränderungen vornimmt, es keines Gesetzes
bedarf, um Kompetenzen, welche burh ein Gese dichem oder jenem Ministerium zu-
gewiesen waren, den veränderten Ressortverhältnissen anzupassen. Es ist konsequent,
wenn v. Rönne dies bestreitet, aber es auch bei der hier für richtig gehaltenen Ansicht
bestreiten zu wollen, hieße nur die Organisationsgewalt bezüglich der Ministerien selbst
bestreiten. Dies ist auch die Ansicht der Krone, welche, wie aus dem Vorgetragenen
ersichtlich, die beiden Gesese vom 13. März 1879 und 26. März 1890 nur für zweck-
asdn aeun Interesse der Rechtssicherheit, keineswegs aber für rechtlich nothwendig er-
achtet hat.
Die Gesetze sind nur verbindlich, wenn sie bekannt gemacht sind, Art. 106
Abs. 1. Die Publikation ist somit eine nothwendige Voraussetzung der Geltung eines
Gesetzes. Sie steht nur dem Könige zu, dessen Befehl der Verkündigung kein ausdrück-