I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 45. 131
licher zu sein braucht, indem es als factum concludens genügt, wenn der Monarch den
Originaltext des Gesetzes vollzieht und sodann dem Staatsministerium kurzer Hand
remittirt. Vergl. des Weiteren unten zu Art. 106 Anmerk.
. Es sind nach der Verfassungsurkunde zu unterscheiden die Gesetze (Art. 62, 107), die
Verordnungen mit Gesetzeskraft (Art. 63), die Ausführungsverordnungen. Die Gesetze
sind diejenigen Erlasse des Königs, welche nur unter Mitwirkung und Zustimmung des
Landtages ergehen dürfen, wogegen die Verordnungen mit Gesetzeskraft zunächst ohne
diese Mitwirkung und Zustimmung erlassen werden, aber zurückzuziehen sind, wenn die,
sobald wie möglich, nachzusuchende Genehmigung Seitens des Landtages verweigert
wird. Einfache Verordnungen kennt die Verfassungsurkunde nur als Ausführungs-
verordnungen, d. h. sie spricht dem König das Verordnungsrecht nur zu, soweit eine Ver-
ga zur Ausführung eines Gesetzes nöthig ist. Dies ist in folgender Weise zu
verstehen.
Ein großer Theil der im Staatsleben erforderlichen allgemeinen Vorschriften
betrifft die Ausführung des als Gesetz oder sonst bestehenden Rechts durch Regulirung
der Thätigkeit der mit seiner Vollziehung betrauten Behörden, durch Bestimmung der
geeigneten Mittel seiner Durchführung, sowie des dabei zu beobachtenden Verfahrens
und durch erläuternde Vorschriften über die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des
Gesetzes im Einzelnen. Keine dieser Vorschriften will selbst neue Rechtssätze schaffen;
sie setzen vielmehr immer das Dasein solcher voraus und wollen nur die konstante und
ordnungsmäßige Anwendung derselben in einer allgemein wirksamen Weise sichern.
Diese Vorschriften zu erlassen, welche man technisch Verordnungen nennt, ist, da durch
sie kein Recht geschaffen wird, nicht Aufgabe der Gesetzgebung, sondern der Regierungs-
gewalt, ohne daß diese Aufgabe, da sie eben im Begriff der Regierungsgewalt enthalten
ist, von der Verfassungsurkunde ausdrücklich gesetzt zu sein braucht.
Darüber, ob und wie weit ein einzelnes Gesetz einer solchen ausführenden Ver-
ordnung bedarf, läßt sich die Entscheidung natürlich nicht allgemein, sondern nur an der
Hand eben des einzelnen Gesetzes treffen. Hierdurch ist bereits zugegeben, daß auch eine
einfache Verordnung nicht bloß lediglich Verwaltungsvorschriften, sondern auch un-
mittelbar bindende Rechtsvorschriften für die Unterthanen muß enthalten können, dann
nämlich, wenn das Gesetz mehr oder weniger abstrakte, allgemeine Sätze aufstellt, welche
zu ihrer praktischen Anwendbarkeit einer näheren Spezialisirung bedürfen. Die Befugniß
zum Erlaß solcher Rechtsvorschriften kann der Krone zustehen auf Grund einer Anord-
nung des auszuführenden Gesetzes oder auf Grund einer allgemeinen Bestimmung der
Verfassungsurkunde. Eine solche allgemeine Bestimmung enthält Art. 45. Die aus-
drückliche Bestimmung, daß der König die zur Ausführung der Gesetze nöthigen Verordnungen
erläßt, muß in dem Sinne interpretirt werden, daß der König nicht bloß zum Erlaß
von Verwaltungs-, sondern auch von Rechtsverordnungen befugt ist. v. Rönne (Bd. 1
§ 90 S. 365 ff.) und — in der ersten Auflage — v. Schulze, welche das Verordnungs-
recht auf Verwaltungsvorschriften beschränken wollen, übersehen, daß die Verwaltungs-
verordnung ein Ausfluß der Regierungsthätigkeit, somit die Befugniß zu ihr schon in
dem Begriff der vollziehenden Gewalt gegeben ist. Uebrigens bekehrt sich, wie Arndt
mit Recht bemerkt, v. Rönne bei der Analysirung des Verordnungsrechtes ihm selbst
unbewußt zu der richtigen Ansicht. Nach seiner Darlegung (Bd. 1 § 92 S. 378ff.) um-
faßt nämlich das nach Art. 45 dem Könige zustehende Verordnungsrecht:
1. das Recht, in denjenigen Fällen, wo das Gesetz nur die leitenden Grundsätze aufstellt,
die erforderlichen Detailvorschriften, diesen Grundsätzen entsprechend, zu geben;
2. das Recht zur Anordnung derjenigen Anstalten und Einrichtungen, welche zur Aus-
führung des Gesetzes erforderlich sind, wobei indes, insoweit dazu besondere Geld-
mittel erforderlich sind, die Mitwirkung der Kammern eintreten muß; ferner die
Befugniß zum Erlaß allgemeiner Instructionen für die zum Vollzug der Gesetze
bestimmten Behörden, insbesondere über deren Geschäftsgang und das von ihnen
nach Maßgabe des Gesetzes zu beobachtende Verfahren;
3. das Recht, solche allgemeine Verfügungen zu erlassen, welche lediglich Gegenstand
der Verwaltung, im Gegensatze zur Rechtspflege, betreffen und nur aus dem Ober-
aussichtsrechte der Staatsgewalt entspringen, insofern dadurch der Rechtsstand der
Staatsbürger nicht berührt, insbesondere aber eine Abänderung bestehender Gesetze
nicht bewirkt und neue Lasten oder Leistungen nicht auferlegt werden.
Hiernach ist der Streit darüber müssig, ob es außer den Ausführungsverordnungen
des Art. 45 noch andere Verordnungen giebt, zu deren einseitigem Erlaß der König
berechtigt ist, deun Art. 45 handelt im ersten Satz von den Verwaltungs-, im dritten
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