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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 45.
von den Rechtsverordnungen. Ganz unzweideutig ist die zweite Verordnungsbefugniß,
wenn sie der Krone durch einc ausdrückliche Anordnung des auszuführenden Einzelgesetzes
verliehen ist, denn Alles, was nach geltendem Recht Gegenstand eines Gesetzes sein sollte,
kann auch durch Verordnung festgestellt werden, wenn der Gesetzgeber zum Erlasse solcher
Verordnung seine Ermächtigung ertheilt hat, wenn also die gesetzgebende Gewalt einem
Dritten delegirt ist. In diesem Falle ist nur daran festzuhalten, daß die Verordnung
wie auf Grund, so innerhalb des Rahmens des Gesetzes sich bewege, und thut sie dieses,
so ist sie selbst gewissermaßen pars ei sequela des Gesetzes. Allerdings kann es
gleichwohl zweifelhaft sein, ob eine Materie durch eine bloße Verordnung erledigt werden
kann oder durch ein Gesetz geregelt werden muß. Die Prüfung der Rechtsgültigkeit
einer gehörig verkündeten Königlichen Verordnung steht aber nach Art. 106 nicht den
Behörden, sondern dem Landtage zu. — Eine besondere Stelle nehmen ein die auf
Grund der Reichsgesetze ergehenden Ausführungsverordnungen. Die Reichsverfassung
kennt wie keine Verordnungen mit Gesetzeskraft, so auch keine allgemeine verfassungs-
mäßige Delegation zum Erlasse von eigentlichen Rechtsvorschriften, vielmehr hat nach
Art. 7 der Bundesrath nur zu beschließen
über die zur Ausführung der Reichsgesetze erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvor-
schriften und Einrichtungen, sofern nicht durch Reichsgesetz etwas Anderes bestimmt ist,
und auch dem einzelnen Bundesstaate steht die Befugniß zum Erlaß von Rechtsver-
ordnungen nur zu, wenn und inwieweit das einzelne Reichsgesetz diese Befugniß zuerkennt.
Die Reichsgesetzgebung hat dies oft und sogar mehrfach in weitem Umfang gethan, so
daß auf Grund der Reichsgesetzgebung durch einfache Königliche Verordnung Materien
geregelt sind, welche nach den Grundsätzen des Preußischen Staatsrechts auf dem Wege
der Gesetzgebung festzustellen sein würden. Diese Verordnungen unterstehen nicht der
Preußischen Gesetzgebung, genießen aber auch nicht den Schutz des Art. 106 Abs. 2
der Verfassungsurkunde, indem vielmehr jede Behörde, insbesondere die Gerichte, ihre
Rechtsgültigkeit nach dem Maße der Reichsverfassung bezw. des speciellen Reichsgesetzes
zu prüfen gehalten ist. — Siehe die Werke über das Staatsrecht des Deutschen Reiches
bezw. das Deutsche Staatsrecht von Laband Ss 58 ff., Häucl 88 143 ff., Meyer
§ 165, Zorn S§ 14, 15, 17, und unten Art. 62 Anmerk. B. 1.
. Ist auch das Subject der staatlichen Verordnungsgewalt das Staatsoberhaupt, die Ver-
ordnung also grundsätzlich Königliche Verordnung, so kann doch das Verordnungesrecht
durch das Geset, den Monarchen, die Minister den Ministern oder den mittleren und
unteren Behörden delegirt werden. Wenn ein Gesetz wegen seiner Ausführung aus-
drücklich auf die Königliche Verordnung verweist, so hat die Verordnung von dem
Monarchen auszugehen. Wenn das Gesetz ein bestimmtes Ressortministerium mit der
Ausführung beauftragt, so hat dieses Ministerium die Ausführungsverordnung zu erlassen.
Falls dagegen das Gesetz schweigt, so steht es bei dem Monarchen, entweder selbst von
dem Verordnungsrecht Gebrauch zu machen oder dasselbe auf seine Minister zu delegiren.
Nach der bisherigen Staatspraxis ist lepteres als geschehen anzunehmen, wenn der
Monarch nicht auedrücklich erklärt, das Recht selbst ausüben zu wollen, und die Minister
können dann wiederum an die ihnen untergcordneten Behörden das Verordnungsrecht
delegiren. Ebensowenig wie über die Frage, ob Gesetz oder Verordnung, existirt über
die Befugniß zur Delegation bezw. Subdelegation eine bestimmte, jeden Zweisel aus-
schießende Vorschrift, so daß es, abgesehen von der Regelung dieser Frage für den
einzelnen Fall durch das Specialgesetz, bei dem Monarchen steht, die Ausführung der
Gesetze stets durch Königliche, also dem Prüfungsrecht der Behörden entzogene Ver-
ordnungen vorzunehmen. Natürlich sind in Gemäßheit Art. 44 sämmtliche Königliche
Verordnungen von mindestens Einem Minister gegenzuzeichnen.
Die Gesetzgebung hat von der Delegation und Subdelegation umfangreichen Gebrauch
gemacht, besonders bei dem Polizeiverordnungsrecht. Das Recht zum Erlaß von Polizei-
verordnungen, nämlich von allgemeinen Anordnungen, durch welche von Seiten der
Polizeibehörden den ihrer Herrschaft unterworfenen Personen gewisse Handlungen oder
Unterlassungen unter Strafandrohung geboten oder verboten werden, ist nach altpreußischem
Recht — § 6 A. L. R. II 13 — ein Majestätsrecht. Die Ausübung dieses Maiestäts-
rechts steht nach einem Beschlusse des Staatsministeriums vom 7. Jannar 1845 (Just.=
Minist.-Bl. S. 34) den Verwaltungsministerien insoweit zu, als diese für ermächtigt
gehalten werden müssen, polizeiliche Anordnungen und Strafbestimmungen innerhalb
der Grenzen der polizeilichen Strasgewalt zu erlassen und deren Erlaß von Seiten der
Regierungen zu genehmigen. Die Regierungen sind an höhere Genehmigung gebunden
(Geschäftsinstruction für die Regierungen vom 23. October 1817 §I, Ges.-Samml.