I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 47. 135
Der Kaiser ist berechtigt, Behufs Versetzung mit oder ohne Beförderung für
die von ihm im Reichsdienste, sei es im Preußischen Heere, oder in anderen Kon-
tingenten zu besetzenden Stellen aus den Offizieren aller Kontingente des Reichs-
heeres zu wählen.
Artikel 65.
Das Recht, Festungen innerhalb des Bundesgebietes an Fzulegen. steht dem
Kaiser zu, welcher die Bewilligung der dazu erforderlichen Mittel, soweit das
Ordinarium sie nicht gewährt, nach Abschnitt XII. beantragt.
Artikel 66.
Wo nicht besondere Konventionen ein Anderes bestimmen, ernennen die
Bundesfürsten, beziehentlich die Senate, die Offiziere ihrer Kontingente, mit der Ein-
schränkung des Art. 64. Sie sind Chefs aller ihren Gebieten angehörenden Trup-
pentheile und genießen die damit verbundenen Ehren. Sie haben namentlich das
Recht der Inspizirung zu jeder Zeit und erhalten, außer den regelmäßigen Rap-
porten und Meldungen über vorkommende Veränderungen Behuc der nöthigen
landesherrlichen Publikation, rechtzeitige Mittheilungen von den die betreffenden
Truppentheile berührenden Avancements und Ernennungen.
Auch steht ihnen das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht blos ihre
eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch alle anderen Truppentheile des
Reichsheeres, welche in ihren Ländergebieten dislocirt sind, zu requiriren.
Artikel 47.
Der König besetzt alle Stellen im Heere, sowie in den übrigen Zwei-
gen des Staatsdienstes, soweit nicht das Gesetz ein Anderes verordnet.
A. Nach Art. 4 sind die ösfeentlichen Aemter, unter Einhaltung der von den Gesetzen fest-
gestellten“ Bedingungen, allen dazu Befähigten gleich zugänglich. Als allgemeine gesetz-
iche Bedingungen si nd anzusehen:
1. Reichs- oder Staatsangehörigkeit, welche letztere jedoch, sofern nicht ein entgegen-
stehender Vorbehalt in der Bestallun ausgedrückt wird, mit der Anstellung im Staats-
dienste von selbst erworben wird (Geses vom 1. Juni 1870 8§ 9, unten Nr. II.);
2. Besitz der bürgerlichen eeerd
3. die durch Präfung, Supernumerariat, Militäranwartschaft oder Probedienstleistung
nachgewiesene oder erworbene spezielle Befähigung;
4. Kautionsleistung bei den Aemtern der Verwaltung oder Verwahrung staatlicher
Vermögensobjekte.
Wer diese Bedingungen erfüllt, hat gleichwohl keinen Rechtsanspruch auf die Ertheilung
eines Amtes, denn die Ernennung zum Staatsbeamten ist ein freier Willensakt
des Monarchen. Es würde jedoch eine Verletzung des Art. 4 sein, wenn trotz Er-
füllung der genannten Bedingungen bestimmte Klassen der Bevölkerun z. B. wegen
ihrer Konfession, von der Ernennung prinzipiell ausgeschlossen würden. Pechend weiblichen
Geschlechts können nach Preußischer Staatspraxis keine Aemter bekleiden, welche in der
Ausübung staatlicher Hohteterschte bestehen, und sind auch hiervon abgesehen nur in einzelnen
Amtszweigen anstellungsfähig (Lehr-, Kranken-, Hebammen-, Strafanstalten, aushilfs-
weise im Post= und Tesegraphendienst Der mit dem Amte verbundene Titel und Rang
wird schon durch die darüber ausgefertigte Bestallung verliehen (§ 84 A. L. R. II. 10).
Der Anspruch auf die mit dem Amte verbundenen oder besonders zugesicherten Amts-
einkünfte beginnt mit dem in der Bestallung — oder Anstellungsverfügung — benannten
Zeitpunkte und in Ermangelung eines solchen mit dem Tage des Amtsantrittes.
B. Ein Preußisches Gesetz, durch welches dem Könige das Aemterbesetzungsrecht
zuto . ist, existirt nicht, wohl aber hat die Reichsgesetzgebung hier eingegriffen.
ämli
1. die Anstellung der bei den Verwaltungsbehörden der Post und Tele raphie in
den verschiedenen Bezirken erforderlichen oberen Beamten, z. B. der Direktoren,
Räthe, Oberinspektoren, serner die Anstellung der zur Wahrnehmun des Aussichts-
u. s. w. Dienstes in den einzelnen Bezirken als Organe der enähnten Behörden
fungirenden Post= und Telegraphenbeamten, B. Fufpektoren und Kontroleure,
geht für das ganze Gebiet des Deutschen hiech vom Kaiser aus, welchem diese