Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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C. 
I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 48. 
Die näheren Grundsätze sind folgende: 
1. Kein Bundesstaat ist berechtigt, mit einem anderen Bundesstaate oder mit einem 
nichtdeutschen Staate Verträge zu schließen oder Bündnisse einzugehen, welche mit 
der Existenz, der Integrität, der Sicherheit oder der Verfassung des Reiches oder 
eines anderen Bundesstaates unvereinbar sein würden. Dies ergiebt sich ohne 
Weiteres aus der Bundesnatur des Reiches. 
2. Kein Bundesstaat ist zum Abschluß von Verträgen berechtigt, deren Gegenstand der 
Kompetenz des Reiches bezw. des Kaisers überwiesen ist: das Münz-, Post-, Tele- 
raphen-, Zoll- und Handelswesen einschl. der Handelsverträge (Reichsverf. Art. 4 
Nr. 2 und 4, Urt. bis 35), die Organisation des gemeinsamen Schutzes des 
Deutschen Handels im Auslande, der Deutschen Schifffahrt und ihrer Flaggen zur 
See, des Konsulatswesens. Mit dem jus belli et pacis ist auch die Befugniß zum 
Abschluß von Alliance-, Subsidien-, Neutralitätsverträgen weggefallen. Die Einzel- 
staaten sind aber befugt, auf denjenigen Gebieten, auf welchen ihnen nur eine Selbst- 
verwaltung geblieben ist, sowohl unter einander, als auch mit dem Reich über die 
Ausübung der ihnen verbliebenen Verwaltungsbefugniß Verträge zu schließen 
(Post= und Telegraphenverträge in Ermangelung einer eigenen Post= und Tele- 
raphenverwaltung, Militärkonventionen). 
3. Auf denjenigen Gebieten, für welche das Reich zwar kompetent ist, aber von seiner 
Kompetenz noch keinen Gebrauch gemacht hat, und ebenmäßig auf denjenigen Ge- 
bieten, auf welchen den Bundesstaaten selbstständige Hoheitsrechte geblieben sind, 
haben die Einzelstaaten zwar das Vertragsrecht, dürfen aber weder unter einander, 
noch mit außerdeutschen Staaten Verträge abschließen, durch deren Erfüllung sie sich 
mit den Grundsätzen der Reichsverfassung bezw. mit den Bestimmungen der Reichs- 
gesetze oder rechtsgiltig erlassenen Reichsverordnungen in Widerspruch setzen würden. 
4. Gemäß der Vorschrift des Art. 2 der Reichsverfassung, daß das Reichsrecht dem 
Landesrechte vorgeht, werden die von den Einzelstaaten geschlossenen Staatsverträge 
ganz oder zum Theil hinfällig, sobald ein mit demselben unverträgliches Reichsgesesz 
oder ein von dem Reiche abgeschlossener abweichender Staatsvertrag in Wirksamkeit 
tritt. Der auswärtige Staat pan es ja gewußt, daß er nicht mit einem vollsouveränen, 
sondern mit einem Staatswesen contrahirte, welches einem höheren Staatswillen 
untersteht; allerdings ist v. Schulze's Ansicht (Bd. 2 § 271 S. 621), daß der 
auswärtige Staat aus diesem Grunde über Vertragsverletzung nicht klagen könnte, 
für den Fall irrig, daß der Deutsche Einzelstaat selbst an dem Zustandekommen 
jenes Reichsgesetzes oder Reichsvertrages positiv veranlassend oder fördernd mitge- 
wirkt, z. B. der König von Preußen von seiner Befugniß als Deutscher Kaiser 
Gebrauch gemacht haben sollte, um einen schädlichen Preußischen Staatsvertrag 
z. B. einen Auslieferungsvertrag, in beschleunigter Weise bei Seite zu schieben. 
Das Recht des Königs, mit fremden Regierungen Verträge zu errichten, itB nach dem 
Vorgetragenen erheblich beschränkt. Soweit es noch besteht, bedürfen die Verträge zu 
ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern, wenn durch sie dem Staate Lasten oder 
einzelnen Staatsbürgern Verpflichtungen auferlegt werden. Diese Bedingung, dem 
Art. 68 der Belgischen Verfassungsurkunde vom 25. Februar 1831 entlehnt (.,ceu qui 
pourraient grever I’état ou lier individuellement des Belges"), ist nach v. Rönne 
(Bd. 1 § 127 S. 686 ff.) in dem Sinne zu verstehen, daß weder der Staat, noch die 
einzelnen Staatsbürger durch Königliche Entschließung allein irgendwie sollen belastet 
und verbindlich gemacht werden können, sondern daß es hierzu, also bei allen lästigen 
d. h. verpflichtenden Staatsverträgen, stets der Genehmigung der Landesvertretung be- 
dürfen soll. Mit dieser Ansicht läßt sich schlecht vereinigen, daß die für alle lästigen 
Verträge erforderliche Genehmigung gleichwohl für die Friedensschlüsse und Handels- 
verträge nicht gefordert wird, obgleich auch diese beiden Verträge lästige Verträge sind. 
Ueberhaupt würden nach jener Ansicht alle Staatsverträge unterschiedlos der Zustimmung 
des Landtages bedürfen, weil es sich bei jedem Staatsvertrage um — positive oder 
negative — Leistungen und Gegenleistungen handelt, welche entweder den Staat als 
solchen oder die Einzelnen oder beide zugleich treffen. In Art. 48 müßte hiernach 
korrekter Weise bei dem Worte „Kammern“ das Punktum gesetzt und das Folgende 
gestrichen werden. Nun ist es aber unzulässig, dem Gesesgeber, er sei nun eine einzelne 
Person oder eine große Versammlung, entweder eine solche Gedankenlosigkeit oder eine 
solche Schülerhaftigkeit in der schriftlichen Wiedergabe seiner Gedanken ohne zwingenden 
Grund zuzutrauen, wenn eine andere Interpretation zu einem vernünftigen Nesultate 
führt. Jener zwingende Grund fehlt, und dieses vernünftige Resultat läßt sich allerdings 
  
  
 
	        
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