Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 49. 139 
erzielen. Der Art. 48 giebt dem Könige das liberum jus belli ac pacis, bindet ihn 
bezüglich der Handelsverträge schlechthin an die Zustimmung des Landtages und be- 
schränkt ihn im Uebrigen bei der Vertragsschließung dahin, daß durch dieselbe die beiden 
Fundamentalrechte der Volksvertretung, nämlich das Budgetrecht und das Recht der 
Mitwirkung bei jeder Veränderung der Landesgesetzgebung nicht geschädigt werden sollen. 
Was der König überhaupt nicht ohne Zustimmung des Landtages vermag, soll er auch 
dann nicht ohne diese thun können, wenn sein Handeln in der Form eines Staatsver- 
trages hervortritt. Darnach sind unter Lasten des Staates nur die finanziellen, unter 
Verpflichtungen der Staatsbürger nur dieienigen zu verstehen, zu deren Auferlegung 
nicht eine Verordnung genügt, sondern ein Gesetz erforderlich ist. Der Umstand insbe- 
sondere, daß die Grenzlinie zwischen Verordnung und Gesetz nicht selten eine unsichere 
ist, bewirkt, daß die Frage, ob ein Staatsvertrag der Zustimmung der Kammern bedürfe 
oder nicht bedürfe. streitig sein kann, aber eine jetzt mehr als vierzigjährige, von dem 
Landtage nicht angefochtene, in der Gesetzsammlung von Jahr zu Jahr zu verfolgende 
Staatspraxis hat, wenn es überhaupt eine Usualinterpretation auf dem Gebiete des 
Preußischen Staatsrechts giebt, die Richtigkeit der zweiten Ansicht erhärtet. 
Der Landtag ist nicht befugt, den geschlossenen Staatsvertrag zu ändern oder 
für nichtig zu erklären, sondern hat nur das Recht, die Vorlegung des Vertrages zu 
verlangen und nach stattgehabter Prüfung seine verfassungsmäßige Genehmigung zu er- 
theilen oder zu versagen. Wird die Genehmigung versagt, so kann der Vertrag, soweit 
es sich um eine finanzielle Belastung des Staates und eine Verpflichtung einzelner 
Staatsbürger handelt, nicht zur Aus führung kommen, — wie es in Art. 68 der Belgischen 
Verfassungsurkunde heißt: „#nvont effet, qu'apres avoir reçu I’assentiment des chambres“. 
Bis zur Ertheilung der Genehmigung, also auch solange die Staatsregierung es unter- 
läßt, einen von ihr abgeschlossenen, verfassungsmäßig der Zustimmung der Kammern 
bedürfenden Staatsvertrag den Kammern zur Beschlußfassung vorzulegen, ist der Vertrag 
ebenfalls unausführbar. Seine Realisirung ist eben gebunden an den Eintritt der 
suspensiven conditio legis, an die Ertheilung der landtäglichen Genehmigung. Daß 
diese Genehmigung in Form eines Gesetzes erfolge, ist nicht nothwendig. Erforderlich 
ist die Zustimmung bei den Kammern, und hinreichend zur Ungültigkeit ist die Ver- 
sagung der Zustimmung auch Seitens nur Einer der beiden Kammern. 
Die Frage, ob ein von der Staatsregierung, also dem K tönig ohne Vorbehalt 
abgeschlossener Staatsvertrag für sie selbst und insofern auch für den Staat nach Außen 
hin, dem anderen Kontrahenten gegenüber verpflichtend sei, ist von der staatsrechtlichen 
Zulässigkeit der Effectuirung des Juhaltes des Vertrages an sich unabhängig und nach 
völkerrechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Sie muß bejaht werden, denn der fremde 
kontrahirende Staat hat nur die Verpflichtung, die sormelle Legitimation des mit ihm 
Kontrahirenden zum Abschluß des Staatsvertrages zu prüfen, und nach Preußischem 
Verfassungsrechte, dem hier besprochenen Art. 48, ist der König und eben nur er zum 
Abschluß von internationalen Staatsverträgen legitimirt. Dem fremden Staate eine 
weitergehende Prüfungspflicht aufbürden, wäre gleichbedeutend mit der Verpflichtung, 
in iedem einzelnen Falle eine eingehende Untersuchung darüber anzustellen, ob der Ver- 
trag überhaupt unter eine der Gattungen des Art. 48 fällt, also eine Untersuchung 
darüber, was unter der Auferlegung der Lasten bezw. Verpflichtungen zu verstehen sei, 
eine Trübung des völkerrechtlichen Vertragsrechtes durch staatsrechtliche Kontroversen, 
welche ebenso unpractisch, wie unwissenschaftlich wäre. Trotz der ermangelnden Zu- 
stimmung bleibt also der Vertrag völkerrechtlich gültig. Den hieraus möglicher Weise 
entstehenden völkerrechtlichen Unzuträglichkeiten läßt sich leicht ausbiegen. Es empfiehlt 
sich nämlich, in jedes Vertragsinstrument den Vorbehalt aufzunehmen, daß die Ratifikation 
bis zur Ertheilung der etwa erforderlichen landtäglichen Zustimmung ausgesetzt bleibe, 
und die Zustimmung sofort einzuholen. 
Artikel 49. 
Der König hat das Recht der Begnadigung und Strafmilderung. 
Zu Gunsten eines wegen seiner Amtshandlungen verurtheilten 
Ministers kann dieses Recht nur auf Antrag derjenigen Kammer 
ausgeübt werden, von welcher die Anklage ausgegangen ist.
	        
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