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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 53.
Zu jeder Einstellung der Thätigkeit des Landtages als solchen ist ein staatsrecht-
licher Akt des Königs erforderlich. Wie die Schließung und Auflösung ist auch die
Vertagung das ausschließliche Recht des Königs. Eine Selbstvertagung, welche mit
einer: enschironng der Sitzungen auf kurze Zeit, z. B. wegen Mangel an Berathungs-
stoff, wegen eintretender ue nicht zu verwechseln ist, ist ebenso unzulässig wie die
Selbstschließung (Art. 51 Anmerk. C., oben S. 146). Die Vertagung besteht darin,
daß die Thätigkeit des Landtages, ohne denselben zu schließen, auf bestimmte Zeit
unterbrochen wird. Nach Ablauf der Vertagungszeit nimmt der Landtag von selbst,
ohne daß eine neue Einberufung Seitens der Krone erforderlich ist, seine Geschäfte auf
dem Punkte wieder auf, auf welchem sie im Moment der Vertagung liegen geblieben
sind, indem die Präsidenten und Schriftführer ihre Aemter beibehalten, alle vor der
Vertagung gewählten Kommissionen ohne neue Wahl wieder in Thätigkeit treten, die
Sitzungen als fortlaufende bezeichnet werden. Von der Fortführung der Verhandlungen
nach ausgesprochener Vertagung gelten die zu Art. 51 Anmerk. B, oben Seite 146,
vorgetragenen Grundsätze über das Tagen des Landtages ohne Königliche Einberufung.
Das Vertagungsrecht des Monarchen ist nach drei Richtungen beschränkt.
1. Nach Art. 77 Abs. 2 ist es nicht zulässig, eines der beiden Häuser des Landtages
allein zu vertagen und das andere, ungeachtet dieser Vertagung, fortdauern zu
lassen, sondern die Vertagung muß eine gleichzeitige beider Häuser sein. Auf die
Verletzung dieser Vorschrift finden die zu Art. 51 Anmerk. C., oben S. 146, vor-
getragenen Grundsätze über die Schließung bloß eines der beiden Häuser Anwen-
dung. Hieraus ergiebt sich auch, daß es unzulässig ist, die beiden Häuser des
Landtages zwar von dem gleichen Zeitpunkt ab, aber auf verschiedene Zeitlängen
u vertagen.
2. Ohne Zustimmung der beiden Kammern darf die Vertagung weder die Frist von
30 Tagen übersteigen, noch
3. in derselben Session wiederholt werden. Ist ohne jene Zustimmung eine längere
Vertagung, bezw. eine wiederholte Vertagung während derselben Session ausge-
sprochen, so tritt der Landtag nach Ablauf von 30 Tagen ohne Weiteres von selbst
wieder zusammen, bezw. er hält gleichwohl seine Versammlungen und Berathungen
ab. Das Staatsministerium würde für den Verfassungsbruch haftbar sein und,
falls es die Mitglieder des Landtages am Zusammentreten und Verhandeln hindern
wollte, der strafrechtlichen Ahndung nach den §§ 105, 106 des Strafgesetzbuches
unterliegen.
4. Wird das Abgeordnetenhaus aufgelöst, so kann der Monarch nicht bloß, sondern
muß nach Art. 77 Abs. 3 das Herrenhaus, falls der Landtag gerade tagt, gleich-
zeitig vertagen. Auf diese Vertagung finden die Grundsätze Nr. 1 bis 3 keine An-
wendung, denn nur die eine Kammer wird vertagt, nicht auch die andere, sondern
diese wird aufgelöst. Daß in diesem Falle eine Dauer der Vertagung von mehr
als dreißig Tagen nicht an die Zustimmung des Herrenhauses gebunden ist, geht
auch daraus hervor, daß durch Art. 51 Satz 3 eine Vertagung bis zu 90 Tagen
für zulässig erklärt wird. Endlich ist eine Wiederholung dieser Vertagung innerhalb
derselben Session nicht bloß unzulässig, sondern unmöglich, weil durch die Auflösung
nicht bloß die Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses, sondern auch die Sitzungs-
periode des Herrenhauses endigt. Siehe unten Anm. B. zu Art. 77.
Artikel 53.
Die Krone ist, den Königlichen Hausgesetzen gemäß, erblich in
dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der
Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.
4.
Die Hausgesetze des Preußischen Königshauses sind folgende:
1. Lehnbrief König Rudolfs für Burggraf Friedrich III. und event. dessen Töchter über
das Burggrafthum Nürnberg vom 25. Oktober 1273;
2. Hausvertrag der Gebrüder Lurggrafen Johann und Albrecht zu Nürnberg wegen
der Succession vom 10. Oktober 1341;
3. Goldene Bulle Kaiser Karls IV. über den Reichsfürstenstand der Burggrafen zu
Nürnberg vom 17. März 1363;