Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 53. 
Staatsrechtes ist jede Landestheilung aus fürstenrechtlichen Gründen ausgeschlossen, 
Erhaltung der Staatseinheit oberstes Axiom der Thronfolge. Selbst nach Erlöschen 
des gesammten Königlichen Manusstammes würden alle Ansprüche von Kognaten 
auf einzelne Landestheile vor der Majestät dieses großen Grundsatzes schweigen 
müssen. Keineswegs kann aber juristisch behauptet werden, daß die subsidiäre weib- 
liche Thronfolge für den ganzen Preußischen Staat stillschweigend eingeführt worden 
sei, da an sich durch Aufhebun des Deutschen Reiches an den Successionsgrundsätzen 
der Fürstenhäuser Nichts geändert worden ist.“" 
In der Erneuerung der Pactorum domus von 1752 fassen Friedrich der Große 
und seine beiden Kontrahenten, die Markgrafen Friedrich von Brandenburg-Baireuth 
und Karl von Brandenburg-Ansbach, die Möglichkeit ins Auge, daß der ganze Manns- 
stamm ausstirbt. Hätte es damals eine kognatische Thronfolge in die ganze Monarchie 
gegeben, so wäre mit derselben eine subsidiäre kognatische Thronfolge in einzelne Landes- 
theile natürlich unvereinbar gewesen, also beweist der Umstand, baß die letztere aus- 
drücklich anerkannt wird, deutkch die Nichtanerkennung der ersteren. Bestimmung darüber 
zu treffen, wie es mit den nicht an die Kognaten vererbenden Theilen der Monarchie 
werden sollte, war deshalb nicht erforderlich, weil dieselben entweder an die Erbverbrüderten 
oder als erledigte Reichslehen an das Reich fallen mußten. Nun ist der Zweck der ge- 
dachten Vereinbarung ausgesprochener Maßen der, 
daß die Grundsatzungen Unseres Hauses, und vornemblich die sogenandte Achilläischen 
Disposition, wie auch der Gerauische Vertrag, und übrige Pacta Domus revidiret, 
erneuert, und auff gegenwärtige Zeiten und Umbstände eingerichtet, auch solchergestalt 
in die Form einer bestendigen und immerwehrenden Pragmatischen Sanction ge- 
bracht werden mögten; 
und in dem nachfolgenden und letzten Hausgesetze vom 17. Dezember 1808 ist eine sub- 
sidiäre kognatische Erbfolge in die ganze Monarchie mit keinem Buchstaben zugelassen, 
in einzelne Landestheile aber ausdrücklich ausgeschlossen (§ 11: „ insoweit solche die 
Untheilbarkeit und Unveräußerlichkeit der Souveränetätsrechte festsetzen“). Somit ergiebt 
sich als das Resultat, daß nach den Hausgesetzen und folgeweise durch die Verfassungs- 
urkunde die Kognaten zwar nicht ausdrücklich, aber immerhin doch ausgeschlossen sind. 
Mit der Auflösung des früheren Deutschen Reiches ist auch der Reichslehnsnexus 
aufgelöst worden, also ein Heimfall einzelner Landestheile oder der ganzen Monarchie 
als erledigter Reichslehen unmöglich. Es fragt sich hiernach nur, ob eine Erbverbrüderung, 
pactum confraternitatis, d. h. ein Erbvertrag existirt, wodurch zwischen dem Preußischen 
und einem oder mehreren anderen Häusern für den Fall des Aussterbens des Manns- 
stammes ein gegenseitiges Erbfolgerecht in das Territorium begründet ist. Im Jahre 
1373 haben Sachsen und Hessen eine Erbverbrüderung geschlossen, welcher Brandenburg 
1457 beigetreten ist, und nach deren letzten Redaktionen vom 9. November 1587 und 
29. März 1614 auf den Fall des Erlöschens des gesammten Brandenburgischen Manns- 
stammes Hessen und Sachsen jedes zur Hälfte, jedoch so succediren, daß Hessen die Kur- 
würde erhält. Die Rechtsgültigkeit des Hinzutritts Brandenburgs ist Mangels spezieller 
und ausdrücklicher kaiserlicher oberlehensherrlicher Bestätigung recht zweifelhaft (v. Schulze 
Bd. 1 § 59 S. 190, Anm. 1), und ebenso fragt es sich, ob das Folgerecht Sachsens und 
Hessens sich nur auf die Monarchie in ihrem Umfange vom 9. November 1587 bezw. 
29. März 1614 oder auch auf die später erworbenen Territorien beziehe, was letzteres 
bezüglich der nach kognatischem Rechte angefallenen Landestheile ganz gewiß nicht der 
Fall ist. Die Ausführung dieser Erbverbrüderung würde also zu der Auflösung der 
Monarchie führen, was nach Art. 2 der Verfassungsurkunde nur durch Gesetz geschehen 
kann. In diese Selbstauflösung zu willigen ist der Preußische Staat natürlich nicht 
verpsliichtet, das Recht der Erbverbrüderten muß vor dem höheren Recht der Selbst- 
erhaltung des Staates zurücktreten, „umb so mehr“", wie Friedrich der Große in der 
Erneuerung der Pactorum domus von 1752 § 10 sagt, „als Niemanden mit einiger 
Raison angemuthet werden kann, in proprin Viscera zu Saeviren.“ Auf die Selbst- 
erhaltung, also auf seine Untheilbarkeit und die fürstliche Individnalsuccession darf der 
Preußische Staat überhaupt gar nicht verzichten. Zudem wäre eine Auseinanderreißung 
der Preußischen Monarchie unzulässig ohne die Zustimmung des Reichs (Anmerk. B. 
zu Art. 2, oben S. 46°47). Diese Zustimmung kann aber Seitens des Reiches deswegen 
nicht ertheilt werden, weil die Preußische Monarchie dem Reiche als Basis dient. 
Hiernach muß, wenn der Mannsstamm der Königsfamilie ausstirbt, eine ver- 
fassungsmäßige Neuerung der Staatssuccesrsion erfolgen. Bei dieser können die auf älteren 
Titeln beruhenden Rechte nur soweit berücksichtigt werden, als sie mit der Untheilbarkeit
	        
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