Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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D. 
I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 53. 
nach Ausweise des pacti unfähig seyn, auch weder zur Landes-Regierung ge- 
laßen noch mit dem sonst verordneten Deputat versehen werden sollen, Voraus 
wann solches inaequale matrimonium ohne Vorbewußt und Einwilligung 
des Capitis Familiae et Lineaec geschlossen und vollzogen worden. 
In einer Erklärung Friedrich des Großen an den neugewählten Kaiser Karl VII. be- 
antragt der König: 
„Wir sollen auch aus teutsch-patriotischer Gesinnung ganz unvorgreiflich 
dafür halten, daß Ew. K. Maj. Reichshofrath, sowohl als Reichshofraths. 
kanzlei pro norma regulativa bei dieser Gelegenheit ein vor alles zu bescheiden 
seien, daß alle dieienigen fürstlichen Heirathen schlechterdings für ungleich zu 
achten, welche mit Personen unter dem alten reichsgräflichen Sitz und Stimme 
in comitiis habenden Stande kontrahirt werden und daß die aus solcher Ehe 
zu erzeugenden Kinder weder zur fürstlichen Würde, Titel und Wappen ihres 
Vaters noch zur Succession in dessen Reichslanden niemals fähig seien, noch 
dazu gelassen werden sollen.“ 
Hiermit stimmt überein, daß das Haus Brandenburg-Preußen an dem Erforderniß 
der Ebenbürtigkeit von jeher streng festgehalten hat. Als unzweifelhaft eben- 
bürtig gelten: 
a) die Ehe mit dem Mitgliede eines regierenden Deutschen Fürstenhauses: 
b) die Ehe mit dem Mitgliede einer hochadeligen, d. h. im Jahre 1806 und 
seitdem mittelbar gewordenen ehemals reichsunmittelbaren fürstlichen und gräfl. 
Familie (Art. 14 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815). Zu diesen 
werden wohl die schon zu Reichszeiten nur mit einer untergeordneten Landes- 
hoheit versehenen reichsständischen Häuser Schönburg und Stolberg gerechnet, 
nicht aber, wie die Ehe Friedrich Wilhelms III. mit der Gräfin Auguste von 
Harrach zeigt, die reichsgräflichen Personalistenfamilien, welche ohne reichs- 
gräfliches Territorium bei einem Grafenkollegium immatrikulirt waren: 
die Ehe mit dem Mitgliede eines regierenden nichtdeutschen Fürstenhauses, so- 
weit dieses und sein Staat in gleichberechtigtem völkerrechtlichen Verkehr steht. 
Bei den regierenden Fürstenhäusern kommt es weder auf das Alter der 
Dynastie, noch auf die Größe des beherrschten Landes, noch auf den höheren oder 
niedrigeren Titel an. Auch geht die einmal bestehende Ebenbürtigkeit durch den 
Verlust der Souveränetät keineswegs verloren. So war und ist auch noch heute 
z. B. die Familie Vonaparte ebenbürtig. Bei den Ehen mit nichtdeutschen Adels- 
familien erhebt sich die Schwierigkeit, daß der Begriff des hohen Adels sich nur 
in Deutschland findet. Als entscheidend gilt, wenn die Familie die Stellung eines 
über den niedern Adel nach Abstammung und Regierungsrechten erhabenen herrschen- 
den Geschlechtes einnimmt, eine Analogie von Landezherrlichkeit besitzt oder 
bis in neuere Zeit besessen hat. Aber Sicherheit wird hier nicht gewonnen, wie 
das Beispiel der einst mit weitgehenden Regierungsrechten ausgestatteten litthauischen 
(titularreichsfürstlichen) Familie Radziwill zeigt, welche Seitens des Brandenburgisch- 
Preußischen Hauses wiederholt, zuletzt 1796, für ebenbürtig, ein Menschenalter 
später aber ohne wesentliche Veränderung ihres Charakters für nicht ebenbürtig 
crachtet worden ist. Endlich richtet sich der Grundsatz der Ebenbürtigkeit nach der 
Hausverfassung jeder Familie, so daß, wer innerhalb seines Hauses als ebenbürtig 
anerkannt ist, auch dem Preußischen Königshause ebenbürtig ist. Dies gilt nicht 
nur von den fremden Fürstenfamilien, von denen z. B. dem Dänischen, Schwedischen, 
Englischen Königshause der Begriff der Ebenbürtigkeit im Sinne des Gemeinen 
Deutschen Fürstenrechtes fremd ist, sondern auch von den Deutschen regierenden 
und nicht regierenden Fürstenhäusern. So gelten z. B. in der herzoglichen Familie 
Schles wig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg, welcher die gegenwärtige Preußische 
Landesmutter entsprossen ist, Ehen mit Frauen niederen Adels, besonders mit 
Gräfinnen, als ebenbürtig. 
Eine Ausschließung von der Thronfolge wegen geistlichen Standes und der Religion, 
wegen geistiger und körperlicher Gebrechen findet nicht statt. Beim Vorhandensein solcher 
Gebrechen, welche den König dauernd verhindern, selbst zu regieren, tritt die Regent- 
schaft ein (Art. 5. Ein Blick auf Art. 14 legt die Annahme nahe, daß nur ein Be- 
kenner der christlichen Religion den Preußischen Königsthron besteigen kann. Im 
Uebrigen kann der Kommentator der Verfassungsurkunde füglich dem Scharfsinn der 
Kanonisten die Beantwortung der Frage überlassen, ob ein Kleriker, insbesondere ein 
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