Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 54. 155 
katholischer Kleriker, und ob ein Nichtchrist, z. B. ein Jude, Preußischer König werden 
kann. Von dem katholischen Kleriker verneint es v. Schulze Bd. 1 9 57 S. 186. 
Artikel 54. 
Der König wird mit der Vollendung des achtzehnten Lebens- 
jahres volljährig. 
Er leistet in Gegenwart der vereinigten Kammern das eidliche 
Gelöbniß, die Verfassung des Königreichs fest und unverbrüchlich zu 
halten und in Uebereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu 
regieren. 
A. Die Goldene Bulle cap. VII. § 4 bestimmte: 
— legitimam aetatem — in Principe Electore decem et octo annos completos 
censeri volumus et statuimus perpetuo haberi. 
Diese Vorschrift, obgleich ursprünglich nur für das Kurland gegeben, ist auch auf 
die übrigen Besitzungen und die späteren Erwerbungen der Kurfürsten ausgedehnt worden. 
Für den Preußischen König ist das vollendete achtzehnte Lebensjahr nunmehr auch durch 
Art. 54 als legitima netas festgesetzt. Ist der König minderjährig, so tritt bis zur 
Erreichung der Volljährigkeit die Regentschaft ein. Zu dieser ist der der Krone am 
nächsten stehende volljährige Agnat berufen (Art. 56). Somit ist es staatsrechtlich 
von Wichtigkeit, wann die nichtregierenden Mitglieder des Königlichen Hauses voll- 
jährig werden. 
Weder in den Worten noch in dem Zweck der Goldenen Bulle bei Festsetzung 
des Volljährigkeitstermins für den Nachfolger in der Kurwürde lag ein Grund, diesen 
Termin auf alle Söhne und entfernteren Descendenten eines Kurfürsten, so lange sie 
nicht zur kurfürstlichen Würde gelangten, auszudehnen. Daher hat das vormalige Ober- 
tribunal in einer Entscheidung vom 4. Dezember 1806 (Matthis Allgemeine juristische 
Monatsschrift für die Preußischen Staaten Bd. 8 S. 109) den allgemeinen Volljährigkeits- 
termin angenommen, nämlich nach § 696 A. L. R. II. 18 das vollendete vierund- 
zwanzigste, jetzt nach dem Gesetz über das Alter der Großjfährigkeit vom 9. Dezember 
1869 (Ges.-Samml. S. 1177) bezw. dem Gesetz, betreffend das Alter der Großjährigkeit, 
vom 17. Februar 1875 (Reichs-Gesetzbl. S. 71), das vollendete einundzwanzigste Lebens- 
jahr, womit v. Rönne Bd. 1 § 47 S. 182 Anm. 2 übereinstimmt. Aber nach § 17 
A. L. R. 11 13 werden die „Rechtsangelegenheiten, welche die Personen- und Familien- 
rechte des Landesherrn und seines Hauses betreffen, nach den Hausverfassungen und 
Verträgen bestimmt.“ Nun heißt es in dem Testamente des Kurfürsten Friedrich I. 
vom 17. Mai 1137: 
wer das Ir eyner sturbe oder abeginge und Sone hintter Im ließe, einen oder 
mehr, so sol der ander Unßer Sön, der im leben bleibet, derselben Süne oder 
Sönesherrschafft, Wirdigkeit, Lannde, leute und Gutere getreuer vormunde sein, als 
lange biß Sie zu Iren oder seinen tagen Achtzehen Jar alt komen, 
und im Geraischen Hausvertrage vom 11. Juni 1603 Abs. 4 (unten VI. 2) wird den- 
jenigen Brüdern oder Vettern des Kurfürsten, welche „mit Landt unnd Leüttenn, oder 
Geistlichen Stiefftenn nicht vorsehen“, ein jährliches Deputat ausgesetzt, sobald „einer 
oder mehr seinn volkomlich Alter, alß Achtzehenn Jahr erfüllet“", „wann ehr Acht- 
zehenn Jahr seines Alters complirt.“ Auch die Praxis des Königlichen Hauses hat an 
dem vollendeten achtzehnten Lebensjahr fortgesetzt festgehalten und zwar sowohl in Be- 
treff der Prinzen als der Prinzessinnen (v. Schulze Hausgesetze Bd. 3 S. 617, beson- 
derer Abdruck S. 83). · 
Die Großjährigkeit gilt sowohl für die staats-, als auch für die privatrechtlichen 
Beziehungen. · 
Eine Großjährigkeitserklärung vor der Zeit, venia aetatis, ist in den Hausgesetzen 
nicht vorgesehen. Bezüglich des Monarchen würde sie nur durch ein verfassungsänderndes 
Gesetz ad hoc erfolgen können. Bezüglich der anderen Mitglieder des Königl. Hauses 
steht der Ertheilung der venia aetatis — durch das Familienhaupt — der Umstand 
entgegen, daß in Ermangelung besonderer Bestimmung das Gemeine Recht, also § 61 
der Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 (Ges.-Samml. S. 431) Anwendung findct,
	        
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