Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 60. 175 
Außerdem sollen nach der Kabinetsordre, betr. die Einwirkung der Ministerien 
auf die Verwaltung der Landgestüte, vom 15. Februar 1816 (Ges.-Samml. S. 101) auch 
„die allgemeinen Maßregeln, die Einrichtungen der Landgestüte, darin zu treffende Ver- 
änderungen und dergleichen“ zur Berathung des Staatsministeriums gebracht werden. 
Alle diese bisher genannten Gegenstände sollen nur vorgetragen, berathen, zur 
Kenntniß gebracht werden. Das Recht einer bindenden kollegialischen Beschlußfassung 
nach Stimmenmehrheit wird dem Staatsministerium durch jene Vorschriften nicht ertheilt 
und ist ihm auch bis heute durch keine Vorschrift ertheilt worden. Vielmehr nimmt 
innerhalb des Staatsministeriums jedes Mitglied die gleiche Bedeutung als Staats- 
minister in Anspruch und ist in gleicher Weise wie der Ressortminister für die Gesammt- 
leitung der inneren Verwaltung und der äußeren Politik verantwortlich, aber die noth- 
wendige Konsequenz des Kollegialitätssystems, daß der einzelne Minister sich dem 
Majoritätsbeschlusse des Staatsministeriums unterzuordnen habe, ist weder durch die 
Verfassungsurkunde, noch durch die Spezialgesetzgebung gezogen. Das Staats- 
ministerium ist überhaupt nach der bestehenden Gesetzgebung generell gar nicht 
befugt, Beschlüsse zu fassen, sondern hat nur über eine Anzahl von — mit einer einzigen 
Ausnahme — entweder nur sehr selten vorkommenden oder staatsrechtlich nicht sehr be- 
deutenden Angelegenheiten zu beschließen und ist im Uebrigen, wie gesagt, darauf beschränkt, 
zu berathen und in Kenntniß zu nehmen. Dies ist allerdings nicht von Relevanz gegen- 
über dem Könige, weil dieser auch an die einheitlichen Beschlüsse der jeder Zeit ent- 
laßbaren Minister nicht gebunden sein würde, wohl aber von Relevanz gegenüber dem 
Landtage, welchem gegenwärtig nicht das Staatsministerium als Kollegium, und mit 
Gesammtverantwortlichkeit, sondern nur die einzelnen Minister mit Individualverant- 
wortlichkeit entgegentreten, mag auch der vorgelegte Gesetzentwurf weit über das 
Ressort hinaus Bedeutung und Tragkraft haben. Die weit verbreitete Ansicht, daß 
ein Gesetzentwurf, welcher das Staatsministerium passirt hat, vom König ge- 
nehmigt ist und von dem Ressortminister im Landtage eingebracht wird, auch von den 
übrigen Ministern gebilligt sei, ohne die Billigung der übrigen Minister aber diese 
Stadien nicht durchlaufen könne, ist irrig. Die Frage, ob die Billigung ertheilt, die 
Verantwortung auch neben dem Ressortminister übernommen werden oil tritt rechtlich 
an die anderen Minister erst heran, wenn der von dem Landtage genehmigte Entwurf 
vom König sanktionirt und publizirt werden soll. Die Frage, ob nicht ein Minister 
schon im Schoße des Staatsministeriums gegen einen von ihm für verwerflich erachteten 
und prinzipiell wichtigen Gesetzentwurf opponiren und eventuell sein Ministerportefeuille 
in die Wagschale legen solle, ist keine staatsrechtliche, sondern eine politische und vielfach 
auch eine moralische. 
Dagegen kommt, wie bereits oben angedentet, das Kollegialitätsprinzip bei einer 
Anzahl von Gegenständen allerdings dergestalt zur Geltung, daß das Staatsministerium 
nicht bloß zu berathen, sondern auch zu beschließen hat, sein Majoritätsbeschluß als 
Beschluß des Kollegiums, also auch der überstimmten Minister gilt, und somit an die 
Stelle der Individualverantwortlichkeit des Ressortministers die Gesammtverantwortlichkeit 
des Staatsministeriums tritt. Jedoch nur bei eben diesen Gegenständen. Wenn hier- 
über hinaus Abstimmung und Beschlußfassung auch bezüglich anderer Materien üblich 
geworden sein sollten, so wäre dies eine Praxis, welcher sich unterzuordnen kein Minister 
verpflichtet ist. 
1. Das Ministerium hat über die den Preußischen Mitgliedern des Bundesrathes zu 
ertheilende Instruktion zu beschließen. Dies ist zwar durch keine gesetzliche Vor- 
schrift angeordnet, ergiebt sich aber daraus, daß die Preußischen Mitglieder nicht 
Deputirte eines einzelnen Ministers, sondern der Krone, der Staatsregierung sind. 
2. Ist eine Regentschaft nothwendig, aber weder ein volljähriger Agnat vorhanden, 
noch bereits vorher gesetzliche Fürsorge für diesen Fall getroffen, so hat — nach 
Art. 57 der Verfassungsurkunde — das Staatsministerium Behufs Wahl eines 
Regenten den Landtag zu berufen und bis zum Antritt der Regentschaft von Seiten 
des Gewählten die Regierung zu führen. 
3. Bis zur Ableistung des Verfassungseides durch den Regenten ist nach Art. 58 der 
Verfassungsurkunde das bestehende gesammte Staatsministerium für alle Regierungs- 
hundlungen des Regenten verantwortlich. 
ach Art. 63 der Verfassungsurkunde dürfen Verordnungen mit Gesetzeskraft nur 
unter Verantwortlichkeit des gesammten Staatsministeriums erlassen und müssen 
dem Landtage bei seinem nächsten Zusammentreten sofort zur Genehmigung vor- 
gelegt, sowie in Ermangelung dieser Genehmigung zurückgezogen werden.
	        
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