Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 60. 189 
kommissare, Zutritt zu jeder Kammer haben und auf ihr Verlangen zu jeder Zeit ge- 
hört werden müssen. Die Geschäftsordnungen des Landtages haben diese Vorschriften 
der Verfassungsurkunde angemessen spezialisirt. Die Geschäftsordnung für das Herren- 
haus bestimmt nämlich in: 
§ 19 Abs. 1: 
Die Minister und die von ihnen beauftragten Staatsbeamten können den 
Verhandlungen der Kommissionen beiwohnen, in denselben jederzeit Erklärungen ab- 
geben und deren Aufnahme in das Protokoll verlangen. Der Präsident des Staats- 
ministeriums muß durch den Präsidenten des Hauses von der Konstituirung und 
durch den Vorsitzenden der Kommission von deren erster Sitzung in Kenntniß gesetzt 
werden. Die Benachrichtigungen in Betreff der nachfolgenden Sitzungen werden 
von dem Vorsitzenden der Kommission an den Ressortminister, und, wenn von 
diesem ein Kommissar zu den Sitzungen abgeordnet worden, auch an Letzteren gerichtet. 
§ 41. 
Die Minister und die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten 
(Verf.-Urk. Art. 60) müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört werden. Auch 
den Assistenten muß auf Verlangen der Minister oder ihrer Vertreter das Wort 
ertheilt werden. 
§ 53 Absf. 3. 
Hat ein Minister oder dessen Vertreter oder deren Assistent nach dem Schlusse 
der Debatte das Wort erhalten und noch gesprochen, so gilt die Debatte als 
wiedereröffnet. 
Entsprechend lantet die Geschäftsordnung für das Abgeordnetenhaus in: 
30. 
Die Minister oder die von ihnen beauftragten Staatsbeamten können den 
Abtheilungen und Kommissionen mit berathender Stimme beiwohnen. Von dem 
Zusammentritt der Kommissionen, wie von dem Gegenstande der Verhandlungen 
muß dem Ministerium Kenntniß gegeben werden. 
8 44. 
Die Minister und die zu ihrer Vertretung abgeordneten Staatsbeamten 
(Art. 60 der Verfassungsurkunde) müssen auf ihr Verlangen zu jeder Zeit gehört 
werden. Auch den Assistenten muß auf Verlangen der Minister oder ihrer Ver- 
treter das Wort ertheilt werden. 
§ 49 Abs. 1. 
Nimmt ein Vertreter der Regierung — wenn auch nur zu einer persönlichen 
Bemerkung — nach dem Schlusse der Diskussion das Wort, so gilt diese auf's 
Neue für eröffnet. 
Hiernach sind die Minister (und ihre Vertreter bezw. Assistenten) an die Be- 
stimmungen der Geschäftsordnung über die Redeordnung (Herrenhaus §8 44 ff., Ab- 
geordnetenhaus §§ 44 ff.) nicht gebunden. Sie brauchen sich nicht bei dem die Redner- 
liste führenden Schriftführer zum Worte anzumelden, sind nicht gebunden an die in der 
Rednerliste figirte Reihenfolge der Anmeldungen zum Worte, können im Laufe der 
Verhandlung das Wort nehmen, so oft sie selbst es für nöthig erachten, das Wort kann 
ihnen endlich durch den Schluß der Debatte nicht abgeschnitten werden. Die Bestimmungen 
der Geschäftsordnungen (8§ 7 bezw. § 11), daß dem Präsidenten die Leitung der Ver- 
handlungen und die Handhabung der Ordnung obliege, haben natürlich auch sie zu 
beobachten. Sie haben daher, wenn sie sprechen wollen, vorher das Wort zu verlangen, 
können aber nicht beanspruchen, daß — um ihnen dasselbe zu ertheilen — einem Anderen 
das Wort entzogen werde, müssen den schon sprechenden Anderen zuvor ausreden lassen, 
ehe sie selbst das Wort ergreifen. Dagegen ist es gleichgiltig, in welchem Stadium sich 
die Verhandlung befindet. Daher muß ihnen das Wort ertheilt werden auch während 
einer Abstimmung; sie müssen eben auf ihr Verlangen „zu jeder Zeit“ gehört werden, 
und „zu jeder Zeit“ ist jetzt. Durch dies Alles wird gewährleistet, daß keine Kammer- 
verhandlung stattfindet, bei welcher nicht die Krone ihre Ansichten und Forderungen 
geltend machen kann. 
Auf der anderen Seite bestimmt Art.,60, daß jede Kammer die Gegenwart der 
Minister verlangen kann. Dieser etwas scharf ausgedrückten Bestimmung darf nur der 
Sinn untergelegt werden, daß die Staatsregierung erforderlichen Falls nicht unvertreten 
sein soll. Die Minister haben also auf das Verlangen der Kammer zu erscheinen, ent- 
weder in Person oder in Vertretung. Keineswegs aber folgt daraus, daß die Minister
	        
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