Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 62. 197 
als innere Ruhe und Sicherheit zu erhalten, und einen Jeden bei dem Seinigen gegen 
Gewalt und Störungen zu schützen. 
Ihm kommt es zu, für Anstalten zu sorgen, wodurch den Einwohnern Mittel 
und Gelegenheit verschafft werden, ihre Fähigkeiten und Kräfte auszubilden, und 
dieselben zur Beförderung ihres Wohlstandes anzuwenden. 
84. 
Dem Oberhaupte im Staate gebühren daher alle Vorzüge und Rechte, welche 
zur Erreichung dieser Endzwecke erforderlich sind. 
§ 5. 
Die Vertheidigung des Staats gegen auswärtige Feinde anzuordnen; Kriege 
zu führen; Frieden zu schließen; Bündnisse und Verträge mit fremden Staaten zu 
errichten, kommt allein dem Oberhaupt des Staats zu. 
Das Recht, Gesetze und allgemeine Polizeiverordnungen zu geben, dieselben 
wieder aufzuheben, und Erklärungen darüber mit gesetzlicher Kraft zu ertheilen, ist 
ein Moajestätsrecht. 
Dem Könige wird hiernach die dreifache Aufgabe ertheilt, den Staat nach Außen 
zu vertheidigen und zu vertreten, die Rechtsordnung aufrecht zu halten, die Sicherheit 
und Wohlfahrt der Unterthanen zu fördern. Zur Lofung dieser Aufgaben wird ihm 
und zwar ihm ausschließlich verliehen die Kriegsherrlichkeit und die Leitung der äußeren 
Politik, das Recht Gesetze zu geben, aufzuheben und zu deklariren, endlich das Recht 
allgemeine Polizeiverordnungen zu erlassen, aufzuheben und zu deklariren. Gesetz ist 
also gleich Rechtsnorm, Polizeiverordnung gleich Verwaltungsvorschrift. Damit stimmt 
überein, daß in dem „Polizeistaat“ des vorigen Jahrhunderts der Ausdruck Polizei für 
die gesammte innere Verwaltung technisch ist, und daß es nur drei Ministerien giebt: 
das Kabinetsministerium (für die äußere Politik), Justizministerium, das General- 
direktorium. Die landrechtliche Bestimmung wird in der Verordnung vom 27. Oktober 
1810, betreffend die veränderte Verfassung der obersten Staatsbehörden in folgender 
Weise wiederholt: 
Die Minister verfügen in ihrer Verwaltung auf ihre Verantwortlichkeit, je- 
doch sind folgende Gegenstände an Unsere Allerhöchste Genehmigung gebunden, die 
also eingeholt werden muß: 
1. Alle Gesetze, Verfassungs= und Verwaltungsnormen, es mag auf neue oder 
Aufhebung und Abänderung der vorhandenen ankommen. 
In dieser Bestimmung liegt die Identifizirung von Gesetz und Rechtsnorm klar auf 
der Hand. Durch die Verordnung vom 27. Oktober 1810 wird außerdem bereits die 
selbstständige Berordnungsbefugniß der Minister umgrenzt. Die Kabinetsordre vom 3. No- 
vember 1817, betreffend die veränderte Anordnung der Ministerien und den Geschäfts- 
kreis des gesammten Staatsministerii (Ges.-Samml. S. 289), vom 4. Juli 1832, be- 
treffend die Befugniß der Minister zum Erlasse solcher Verfügungen, welche das Gesetz 
nicht ändern oder nicht eine gesetzliche Deklaration enthalten (Ges.-Samml. S. 181). und 
vom 24. August 1837 über die Befugnisse des Justizministers zur Ertheilung von Ge- 
schäftsinstruktionen (Ges.-Samml. S. 143) erklären es für die eigentliche Bestimmung 
der Minister, die. Gesetze vorzubereiten, die allgemeinen Vorschriften über die Grund- 
sätze der Verwaltung zu ertheilen und die gehörige Befolgung der Gesetze zu über- 
wachen. Zu dem Ende werden sie generell ermächtigt, an die ihnen untergeordneten 
Behörden reglementarische Dienstanweisungen und überhaupt solche Verfügungen zu 
erlassen, welche weder eine Aenderung noch eine authentische Deklaration eines Ge- 
setzes enthalten. Dagegen sind sie keineswegs kraft ihres Amtes befugt, Rechtsvor- 
schriften zu ertheilen, objektive Rechtsnormen — „materielle Vorschriften der Legis- 
lation“ — zu setzen. Denn die Setzung von Rechtsnormen ist ein Akt der Erset- 
gebung, und Gesetze zu erlassen, ist nur der König befugt. Siehe Art. 60 Anm. C., 
oben S. 179/180. 
Wenn man dies Alles in Verbindung bringt mit der Thatsache, daß das Wort 
„Gesetz“ älter ist als die Verfassungsurkunde, mithin ursprünglich keinen Zusammenhang 
mit den Rechten der Volksvertretung hat, und daß in der Rechtswissenschaft das Gesetz 
definirt wird als der Ausspruch des Staates, daß etwas Recht sein soll, so spricht eine 
nicht geringe Wahrscheinlichkeit dafür, daß in Art. 62 die gesetzgebende Gewalt im ma- 
teriellen Sinne nämlich als identisch mit der Gewalt, Recht zu setzen, aufzufassen ist. Dies
	        
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