Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

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A. 
B. 
I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 74. 
Abs. 2 ist hinzugefügt worden durch: 
Gesetz, betreffend eine Zusatzbestimmung zum Artikel 74 der 
Verfassung urkunde vom 31. Januar 1850 und zur Verordnung 
wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. October 1854. Vom 
27. März 1872. (Ges. Samml. S. 277.) 
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. ver- 
ordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, was folgt: 
Artikel I. 
Dem Artikel 74 der Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850 und der 
Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. October 1854 tritt 
folgender Husat hinzu: 
Der Präsident und die Mitglieder der Oberrechnungskammer können 
nicht Mitglieder eines der beiden Häuser des Landtages sein. 
" Artikel II. 
Dieses Gesetz tritt in Kraft gleichzeitig mit dem Gesetz, betreffend die 
Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer. 
Urkundlich unter Unserer höchsteigenhändigen Unterschrift und beige- 
drucktem Königlichen Insiegel. 
Gegeben Berlin, den 27. März 1872. 
(L. S.) Wilhelm. 
Fürst v. Bismarck. Gr. v. Roon. Gr. v. Itzenplitz. v. Selchow. 
Gr. zu Eulenburg. Leonhardt. Camphausen. Falck. 
Das passive Wahlrecht ist durch die Erfüllung folgender Erfordernisse bedingt: 
a) Der Gewählte muß ein Preuße sein, und zwar genügt es nach § 29 der Verord- 
nung vom 30. Mai 1849, wenn er dem Preußischen Staatsverbande ein Jahr lang 
angehört hat. Dies letztere Erforderniß gilt jedoch nur für diejenigen, welche früher 
einem nichtdeutschen Staate angehört haben, nicht für die früheren Angehörigen 
eines anderen Deutschen Bundesstaates, weil dieselben nach Art. 3 der Reichevrr- 
fassung zur Erlangung des Staatsbürgerrechts unter denselben Voraussetzungen wie 
der Einheimische zugelassen ist (Anm. B. zu Art. 3, oben S. 49; v. Rönne Rd. 1 
§ 59 S. 241 Anm. 4b, Arndt S. 241 Anm. Nr. 3 zu § 29 und v. Stengel 
S. 80 Anmerk. 1; Abgeordnetenhaus 1882/83 Stenogr. Berichte Bd. 3 S. 1965); 
b) er muß das dreißigste Lebensjahr vollendet haben; 
Tc) er muß im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte sein; 
d) er darf nicht Präsident oder Mitglied der Oberrechnungskammer sein; 
e) nach Art. 78 Abs. 4 darf er nicht Mitglied des Herrenhauses sein. Wer für das 
Herrenhaus präsentirt, aber noch nicht berufen ist, ist wählbar, muß aber, wenn die 
Berufung nachträglich erfolgt, entweder diese letztere Berufung oder die Wahl zum 
Abgeordnetenhause ablehnen beziehungsweise das bereits angenommene Mandat 
niederlegen. 
Kein Abgeordneter kann mehrere Wahlkreise vertreten. Im Falle einer Doppel- 
wahl muß sich der Gewählte bei der Annahme für einen bestimmten Kreis entscheiden, 
worauf für die anderen Kreise eine neue Wahl zu veranstalten ist. 
Zur Ausübung des aktiven Wahlrechts ist jeder Urwähler, jeder Wahlmann ver- 
pflichtet, da das Wahlrecht nicht bloß ein Recht, sondern auch eine Pflicht ist, ohne daß 
freilich ein direkter Zwang stattfindet oder auf die Nichtausübung der Pflicht Nachtheile 
gesetzt sind. Eine Pflicht zur Annahme der Wahl besteht weder für den Wahlmann 
noch für den Gewählten. 
Weitere Erfordernisse des passiven Wahlrechtes giebt es nicht. Insbesondere die 
speziellen Beschränkungen des aktiven Wahlrechts, daß der Wähler selbstständig sein muß, 
also nicht unter väterlicher Gewalt, unter Vormundschaft wegen Geisteskrankheit oder 
als gerichtlich erklärter Verschwender stehen, daß nicht der Konkurs über ihn eröffnet 
sein, daß er nicht Armennnterstützung aus öffentlichen Mitteln erhalten, nicht als Militär- 
person dem aktiven Heere angehören darf. Diese Beschränkungen fallen für das passive 
Wahlrecht fort, so daß Jemand zum Abgeordneten gewählt werden kann, obgleich er 
selbst des aktiven Wahlrechts ermangelt.
	        
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