I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 87. 251
eines richterlichen Beamten oder eines Staatsanwalts in die Rechtsanwaltschaft, Just.=
Minist.-Bl. S. 472).
Die Ernennung der Richter (Amtsrichter, Landrichter, Oberlandesgerichtsräthe)
erfolgt nicht auf Zeit oder auf Kündigung, sondern auf Lebenszeit. Der Auftrag des
Königs zur Ausübung der richterlichen Gewalt ist, wie bereits in Anmerk. A. zu Art. 86,
oben S. 249, bemerkt wurde, unwiderruflich. Der Richter seinerseits kann zu jeder
Zeit, je nachdem mit oder ohne Pension, seine Entlassung verlangen, bis zu deren Er-
theilung er jedoch, falls er nicht vorher beurlaubt wird, seinem Amte nachzukommen
hat. Aber seine Unabhängigkeit ist gegen Gefährdung durch Amtsentsetzung und Sus-
pension, durch unfreiwillige Versetzung und durch unfreiwillige Pensionirung durch die
Vorschrift des Art. 87 geschützt, daß die Voraussetzungen, unter denen jene Maßregeln
eintreten können, gesetzlich bestimmt werden, die Behörden, welche die Entsetzung und
zeitweilige Enthebung vom Amte, die unfreiwillige Versetzung oder unfreiwillige Pensio-
nirung auszusprechen berufen sind, Gerichtsbehörden, also auch die Formen des Ver-
fahrens, welches der Entscheidung vorhergehen muß, gerichtliche sein sollen.
Zur näheren Ausführung des Art. 87 ist ergangen das Gesetz, betreffend die Dienst-
vergehen der Richter und die unfreiwillige Versetzung derselben in den Ruhestand, vom
7. Mai 1851 (Ges.-Samml. S. 218). Dasselbe ist durch das
Gesetz, betreffend einige Abänderungen des Gesetzes über die Dienstvergehen
der Richter vom 7. Mai 1851 (Ges.-Samml. S. 218) und die Einführung eines
Ehrenrathes für die Rechtsanwälte bei dem Obertribunal, vom 26. März 1856
(Ges.-Samml. S. 201), und das
Gesetz, betreffend die Abänderung von Bestimmungen der Disziplinargesetze,
vom 9. April 1879 (Ges.-Samml. S. 345)
abgeändert und durch
Verordnung, betreffend die Justizverwaltung und die Einführung der im Land-
gerichtsbezirk Coblenz geltenden Gesetze in dem vormals Hessen-Homburgschen Ober-
amt Meisenheim vom 13. Mai 1867 (Ges.-Samml. S. 700),
Verordnung, betreffend die Einführung der Preußischen Gesetze und die Justiz-
verwaltung in der vormals Bayerischen Enklave Kaulsdorf, vom 22. Mai 1867
(Ges.-Samml. S. 729),
Verordnung, betreffend die Ausdehnung der Preußischen Disziplinargesetze auf
die Beamten in den neu erworbenen Landestheilen, vom 23. September 1867
(Ges.-Samml. S. 1613),
Gesetz, betreffend den Rechtszustand des Jadegebietes, vom 23. März 1873
§ 2 (Ges.-Samml. S. 107),
Gesetz. betreffend die Abänderung von Bestimmungen der Disziplinargesetze,
vom 9. April 1879 § 27 (betrifft den Kreis Herzogthum Lauenburg),
Verordnung, betreffend die Einführung Preußischer Landesgesetze in Helgoland,
vom 22. März 1891 § 1, 1, 3 (Ges.-Samml. S. 39)
auf den Umfang der ganzen Monarchie erstreckt worden. Es findet mit gewissen Modi-
fikationen auch Anwendung auf die Präsidenten, Dirigenten und übrigen Mitglieder
des Oberlandeskulturgerichts und der Generalkommissionen, auf den Generalauditeur,
die übrigen Mitglieder des Generalauditoriats und die Auditeure (8§ 65 des Gesetzes),
auf die Mitglieder der Oberrechnungskammer (Gesetz, betreffend die Einrichtung und
die Befugnisse der Oberrechnungskammer, vom 27. März 1872 §§ 5, 6, Ges.-Samml.
S. 278), endlich auf die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der Bezirksausschüsse
(Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 8§ 32, Ges.-Samml.
S. 195), wogegen die Mitglieder des Oberverwaltungsgerichts keiner Disziplinargewalt
unterstehen (Gesetz, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Ver-
waltungsstreitverfahren, vom 3. Juli 1875 §§ 20 bis 25, Ges.-Samml. 1880 S. 328).
Die Disziplinargerichte sind die Disziplinarsenate bei den Oberlandesgerichten, mit Zu-
sKändigkeit hinsichtlich aller Mitglieder der Oberlandesgerichte mit Ausnahme der Prä-
sidenten und Senatspräsidenten, und hinsichtlich aller übrigen Richter des Oberlandes-
gerichtsbezirks, und der große Disziplinarsenat bei dem Kammergericht, mit Zuständigkeit
in erster und letzter Instanz hinsichtlich der Präsidenten und Senatspräsidenten der
Oberlandesgerichte, in zweiter hinsichtlich der Beschwerden und Berufungen gegen die
Entscheidungen der Disziplinarsenate. Disziplinarstrafen sind Warnung, Verweis (allein
oder in Verbindung mit Geldbuße), Versetzung in ein anderes Richteramt von gleichem
Range (mit oder ohne Verminderung des Diensteinkommens, mit oder ohne Verlust des
Anspruchs auf Umzugskosten), Dienstentlassung. Die Disziplinargerichte sind ferner zu-