268 I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 93.
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angefochtene Entscheidung erlassen hat. Das Oberlandesgericht hat sich der Erledigung
der Sache zu unterziehen, ist aber an die rechtliche Begründung des Ueberweisungsbe-
schlusses nicht gebunden.
Artikel 93.
Die Verhandlungen vor dem erkennenden Gerichte in Civil= und
Strafsachen sollen öffentlich sein. Die Oeffentlichkeit kann jedoch
durch einen öffentlich zu verkündenden Beschluß des Gerichts ausge-
schlossen werden, wenn sie der Ordnung oder den guten Sitten
Gefahr droht.
In anderen Fällen kann die Oeffentlichkeit nur durch Gesetze
beschränkt werden.
A. Art. 93 bezieht sich, wie überhaupt Titel VI., auf die ordentlichen Gerichte, nicht auf
die besonderen. Er ist ersetzt durch die Bestimmungen des — ebenfalls nur auf die
ordentlichen Gerichte bezüglichen — Gerichtsverfassungsgesetzes. Die einschlagenden Be-
stimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, in der Fassung des Gesetzes,
betreffend die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Ge-
richtsverhandlungen, vom 5. April 1888 (Reichs-Gesetzbl. S. 133), lauten:
8 173.
In allen Sachen kann durch das Gericht für die Verhandlung oder für
einen Theil derselben die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden, wenn sie eine Ge—
fährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staatssicherheit, oder eine Ge-
fährdung der Sittlichkeit besorgen läßt.
8 174.
Die Verkündung des Urtheils erfolgt in jedem Falle öffentlich.
Durch einen besonderen Beschluß des Gerichts kann für die Verkündung
der Urtheilsgründe oder eines Theiles derselben die Oeffentlichkeit ausgeschlossen
werden, wenn sie eine Gefährdung der Staatssicherheit oder eine Gefährdung der
Sittlichreit besorgen läßt.
8 175.
Die Verhandlung über die Ausschließung der Oeffentlichkeit findet in nicht
öffentlicher Sitzung statt, wenn ein Betheiligter es beantragt oder das Gericht es
für angemessen erachtet. Der Beschluß, welcher die Oeffentlichkeit ausschließt, muß
öffentlich verkündet werden. Bei der Verkündung ist anzugeben, ob die Aus-
schliehung wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung, ins besondere wegen Ge-
fährdung der Staatssich-rheus oder ob sie wegen Gefährdung der Sittlichkeit erfolgt.
Ist die Oeffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen,
so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Thatsachen,
welche durch die Verhandlung, durch die Anklageschrift oder durch andere amtliche
Schriftstücke des Prozesses zu ihrer Kenntniß gelangen, zur Pflicht machen. Der
Beschluß ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. Gegen denselben findet Be-
schwerde statt. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
– 176.
Der Zutritt zu öffentlichen Verhandlungen kann unerwachsenen und solchen
Personen versagt werden, welche sich nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte be-
finden, oder welche in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise
erscheinen.
Zu nicht öffentlichen Verhandlungen kann der Zutritt einzelnen Personen
vom Gerichte gestattet werden. Einer Anhörung der Betheiligten bedarf es nicht.
Die Ausschließung der Oeffentlichkeit steht der Anwesenheit der die Dienst-
aufsicht führenden Beamten der Justizverwaltung bei den Verhandlungen vor dem
erkennenden Gerichte nicht entgegen.
Dazu bestimmt das Ausführungsgesetz zum Deutschen Gerichtsver-
fassungsgesetz in