I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 86.
1867 in Kraft getretene Verordnung, betreffend die Zulässigkeit des Rechtsweges und
die Anwendung der Gesetze vom 8. April 1847 über das Verfahren bei Kompetenz-
konflikten zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden und vom 13. Februar 1854
über die Konflikte bei gerichtlichen Verfolgungen wegen Amts- und Diensthandlungen
in den durch die Gesetze vom 20. September und 24. Dezember 1866 der Monarchie
einverleibten Landestheilen, vom 16. September 1867 (Ges.-Samml. S. 1515) ist in
den bezeichneten Landestheilen der Rechtsweg ausgeschlossen worden über „Angelegen-
heiten, welche nach den im Geltungsgebicte des Preußischen Landrechts besehenden all=
gemeinen Bestimmungen der Erledigung im Verwaltungswege mit Ausschluß des Rechts-
weges unterliegen“ und sind zugleich die „Beschränkungen des Rechtsweges, welche mit
den im Geltungsgebiete des Preußischen Landrechts bestehenden Bestimmungen nicht im
Einklange stehen, aufgehoben.“ Die in dieser Verordnung enthaltenen Bestimmungen
gelten nach § 2 des Gesetzes, betreffend den Rechtszustand des Jadegebietes, vom
23. März 1873 (Ges.-Samml. S. 107) seit dem 1. April 1873 auch im Jadegebiete,
nach § 3 des Gesetzes, betreffend die Ausdehnung verschiedener Preußischer Gesetze auf
den Kreis Herzogthum Lauenburg, vom 25. Februar 1878 (Ges.-Samml. S. 97) seit
dem 1. April 1878 im Kreise Herzogthum Lauenburg und nach § 1, I. 4 der Verord-
nung, betreffend die Einführung Preußischer Landesgchete in Helgoland, vom 22. März
1891 (Ges.-Samml. S. 39) seit dem 1. April 1891 in Helgoland.
Als oberster Grundsatz dieser ganzen Gesetzgebung ergiebt sich, daß die ordent-
lichen Gerichte nur kompetent sind zur Entscheidung über Privatrechte im subjektiven
Sinne und über Strafsachen. Wenn ferner in einer Frage, welche an und für sich,
sei es wegen ihres öffentlich-rechtlichen Charakters im Allgemeinen, sei es in Folge aus-
drücklicher Gesetzesvorschrift, der administrativen Beurtheilung anheimfallen würde, nicht
zum unmittelbaren Gegenstande des Prozesses gemacht wird, #ondern nur bei Erörterung
eines an sich unzweifelhaft prozeßfähigen Gegenstandes zur Sprache kommt, so haben
darüber die Gerichte lediglich nach ihrer juristischen Ueberzeugung zu entscheiden. Aber
ausgeschlossen von der Kompetenz der Justizbehörden sind alle diejenigen Rechtsstreitig-
keiten, deren Gegenstand, Inhalt, Klageantrag öffentlich-rechtlicher Natur ist. Im Ein-
zelnen sind viele Bestimmungen in keiner Weise gerechtfertigt, sind sie hervorgegangen
aus der Schen eines absoluten Polizeiregimentes vor dem obiektiven und uninteressirten
Walten der lauteren Gerechtigkeit. Dies zeigen selbst die kurzen Skizzen bei v. Rönne
Bd. 1 8 105 S. 485 bis 519, und v. Schulze Bd. 2 § 190 A., S. 127 bis 155.
„Die vollständige und umfassende Darstellung sämmtlicher in einer großen Anzahl von
Gesetzen zerstreut enthaltenen Bestimmungen über diese Materie und der betreffenden
Ministerialerlasse, sowie der zahlreichen den Gegenstand betreffenden Präjudikate des
Obertribunals und des Kompetenzgerichtshofes würde den Rahmen eines Lehrbuches
überschreiten“ (v. Rönne a. a. O. S. 492/493 Anm. 3). Durch die Einführung der
Verwaltungsgerichtsbarkeit ist die Uebersicht nur noch schwieriger gemacht. Wenn der
Art. 96 in seinem ersten Satze nicht nur befiehlt, daß die Kompetenz der Gerichte und
Verwaltungsbehörden in Zukunft nur auf dem Wege der Gesetzgebung geregelt werde,
sondern auch, daß diese Regelung einheitlich und grundsätzlich für den ganzen Staat
erfolge, so hat das Abgeordnetenhaus wiederholt, z. B. in den Sitzungen vom 16. März
und 4. Mai 1859, das Verlangen gestellt,
„zunächst die in unzähligen Gesetzen zerstreuten Bestimmungen darüber, in welchen
Fällen der Rechtsweg ausgeschlossen ist, sammeln zu lassen, sodann aber unter An-
erkennung des alten deutsch-rechtlichen Grundsatzes, daß in der Regel jeder Rechts-
streit von dem Richter zu entscheiden sei, die über das Bedürfniß hinausgehenden
Beschränkungen aufzuheben“,
und hat ebenmäßig die Staatsregierung ihre Verpflichtung dazu wohl anerkannt, aber
ein umfassendes, einheitliches und grundsätzliches Kompetchzgeset fehlt auch heute noch.
Die Reichsgesetzgebung hat hieran Nichts geändert. Das Gerichtsverfassungs-
gesetz ertheilt im Interesse der Unabhängigkeit der Richter der Zulässigkeit des Rechts-
weges für die Ansprüche der Staatsbeamten wegen ihres Diensteinkommens eine reichs-
rechtliche Garantie bezüglich der Ansprüche der Richter, indem es in § 9 verordnet:
wegen vermögensrechtlicher Ansprüche der Richter aus ihrem Dienstverhältnisse,
insbesondere auf Gehalt, Wartegeld oder Ruhegehalt, darf der Rechtsweg nicht
ausgeschlossen werden,
und verweist in § 13 vor die ordentlichen Gerichte
alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Strafsachen, für welche nicht entweder die