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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 96.
Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetze.
§ 17.
Auf Antrag eines Bundesstaates und mit Zustimmung des Bundesraths
kann durch Kaiserliche Verordnung die Verhandlung und Entscheidung der im § 17
des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Streitigkeiten dem Reichsgerichte zuge-
wiesen werden.
Für diejenigen Bundesstaaten, in denen die im 817 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes bezeichneten Behörden bestehen und nach Maßgabe der Vorschriften im
§ 17 Nr. 1—4 einer Veränderung ihrer Einrichtung und des Verfahrens bedürfen,
kann die Veränderung, sofern sie nicht bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes landes-
gesetzlich getroffen ist, durch landesherrliche Verordnung eingeführt werden.
Gesetz, betreffend die Einführung der Civilprozeßordnung.
8 15.
Unberührt bleiben:
1. Die landesgesetzlichen Vorschriften über die Einstellung des Verfahrens für den
Fall, daß ein Kompetenzkonflikt zwischen den Gerichten und den Verwaltungsbe-
hörden oder Verwaltungsgerichten entsteht;
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durch ein mit den beiden Häusern des Landtages zu vereinbarendes Gesetz zu ordnen.
Weil aber der von ihr vorgelegte Entwurf von dem Abgeordnetenhause in wesentlichen
Punkten abgeändert wurde, hat sie sich des ihr durch den Abs. 2 des § 17 des Ein-
führungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze eingeräumten Rechtes bedient, um die
nach § 17 Nr. 1—4 erforderlichen Veränderungen durch landesherrliche Verordnung
einzuführen. Dies ist geschehen durch die
Verordnung, betreffend die Kompetenzkonflikte zwischen den
Gerichten und den Verwaltungsbehörden. Vom 1. August 1879.
(Ges.-Samml. S. 573).
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c., ver-
ordnen, auf Grund des § 17 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsver-
fassungsgesetze, was folgt: 81
Die Entscheidung von Streitigkeiten über die Zulässigkeit des Rechtsweges
erfolgt in den durch diese Verordnung bestimmten Fällen durch den Gerichtshof zur
Entscheidung der Kompetenzkonflikte.
§ 2.
Der Gerichtshof besteht aus elf Mitgliedern, von denen sechs dem Oberlandes-
gericht zu Berlin angehören müssen. Die anderen fünf Mitglieder müssen für den
höheren Verwaltungsdienst oder zum Richteramt befähigt sein. Zum Mitgliede
kann nur ernannt werden, wer das fünfunddreißigste Lebensjahr vollendet hat.
Die Mitglieder werden für die Dauer des zur Zeit ihrer Ernennung von
ihnen bekleideten Amtes oder, falls sie zu dieser Zeit ein Amt nicht bekleiden, auf
Lebenszeit ernannt. Eine Enthebung vom Amte kann nur unter denselben Voraus-
setzungen wie bei den Mitgliedern des Reichsgerichts stattfinden.
Der Vorsitzende und die übrigen Mitglieder werden vom Könige auf den
Vorschlag des Staatsministeriums ernannt.
§ 3.
Der Gerichtshof entscheidet in der Besetzung von sieben Mitgliedern.
Die Geschäftsordnung, insbesondere die Besugnie des Vorsitzenden und die
Reihenfolge, in welcher die Mitglieder an den einzelnen Sipungen Theil zu nehmen
haben, werden durch ein Regulativ geordnet, welches der Gerichtshof zu entwerfen
und dem Staatsministerium zur Bestätigung einzureichen hat.
84.
Der Gerichtshof entscheidet, wenn die Verwaltungsbehörden den Rechtsweg
in einem bei den Gerichten anhängigen bürgerlichen Rechtsstreite für unzulässig er-
achten und deshalb der Kompetenzkonflikt erhoben wird.
Der Kompetenzkonflikt kann nicht erhoben werden, wenn die Zulässigkeit
des Rechtsweges in der Sache durch rechtskräftiges Urtheil des Gerichts feststeht.