Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 86. 275 
5. « 
Zur Erhebung des Kompetenzkonfliktes ist nur die Central- und die Pro- 
vinzial--Verwaltungsbehörde befugt. 
Dieselben können den Kompetenzkonflikt auch dann erheben, wenn die Zu- 
ständigkeit zur Entscheidung der Sache für die Verwaltungsgerichte in Anspruch ge- 
nommen wird. 
Hat die Provinzialbehörde mehrere Abtheilungen, so steht die Erhebung des 
Kompetenzkonflikts dem Plenum zu. 
86. 
Die Erhebung des Kompetenzkonflikts erfolgt bei dem Gerichte, bei welchem 
die Sache anhängig ist, durch die schriftliche Erklärung der Verwaltungsbehörde, 
daß der Rechtsweg für unzulässig erachtet werde. 
Der Erklärung soll eine Begründung beigefügt werden. 
Wird die Erklärung bei einem Gerichte, bei welchem die Sache nicht an- 
hängig ist, abgegeben, so hat dieses die Erklärung an das zuständige Gericht zu 
übersenden. 
87. 
Das Prozeßverfahren wird durch die Erhebung des Kompetenzkonflikts für 
die Dauer des denselben betreffenden Verfahrens unterbrochen (8 226 der Civil- 
prozeßordnung). Durch die nach dem Schlusse einer mündlichen Verhandlung ein- 
tretende Unterbrechung wird auch die Verkündung einer Entscheidung gehindert. 
Das Gericht hat die Verwaltungsbehörde von dem Eingange der Erklärung 
und die Parteien von der Erhebung des Kompetenzkonfliktes von Amtswegen zu 
benachrichtigen. 
Deu Parteien ist zugleich eine Abschrift der Erklärung zu üÜbersenden. 
86. 
Ist die Sache bei einem Gericht höherer Instanz anhängig, so sind die Pro- 
zeßakten, unter Beifügung der Erklärung der Verwaltungsbehörde und der Zu- 
stellungsurkunden über die Benachrichtigung der Parteien, dem Gerichtsschreiber 
des Gerichts erster Instanz zurückzusenden. 
89. 
Innerhalb der Frist eines Monats, die mit der Zustellung der Benachrichti- 
gung beginnt, können die Parteien bei dem Gericht erster Instanz einen Schriftsatz 
über den Kompetenzkonflikt einreichen. 
Der Schriftsatz muß von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Oeffentliche 
Behörden, sowie Personen, welche zum Richteramt befähigt sind, können den Schrift- 
satz ohne Zuziehung eines Rechtsanwalts einreichen. 
Das Gericht hat der Verwaltungsbehörde und der Gegenpartei den Schrift- 
satz in Abschrift mitzutheilen. Die erforderliche Zahl von Abschriften ist von der 
Partei einzureichen. 
Sind innerhalb der Frist Schriftsätze nicht eingegangen, so hat das Gericht 
der Verwaltungsbehörde davon Anzeige zu machen. 
8 10. 
Nach Eingang der Schriftsätze der Parteien oder, wenn Schriftsätze nicht 
eingegangen sind, nach Ablauf der im § 9 bestimmten Frist sendet das Gericht 
die Akten mittelst gutachtlichen Berichts an das Oberlandesgericht, welches ihn 
unter Beifügung seines Gutachtens dem Justizminister überreicht. 
Der Justizminister sendet die Akten und die Gutachten der Gerichte an den 
Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte und setzt davon den betheiligten 
Verwaltungschef in Kenntniß. n · 
11. 
Die Provinzialverwaltungsbehörden haben an den betheiligten Verwaltungs- 
chef Anzeige von der Erhebung des Kompetenzkonflikts zu erstatten und unter Vor- 
legung der Erklärungen der Pareeien gutachtlich zu berichten. 
Der Verwaltungschef kann dem Gerichtshof eine schriftliche Erklärung über 
den Kompetenzkonflikt mittheilen. 
Er ist befugt, den Kompetenzkonflikt zurückzunehmen. In diesem Falle 
werden die Akten von dem Gerichtshof an den Justizminister und von diesem an 
das Gericht, bei welchem die Sache anhängig war, zurückgesandt. Das Gericht hat 
den Parteien die Zurückuahme des Kompetenzkonflikts von Amtswegen anzuzeigen. 
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