I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 99. 293
mit der Vorprüfung des Staatshaushaltsetats, erstattet ihren Bericht an das Plenum
aber erst, nachdem der Etat Seitens des Abgeordnetenhauses offiziell mitgetheilt worden
ist. Das Plenum kann nach Art. 62 Abs. 3 der Verfassungsurkunde den Etat nach
den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses nur im Ganzen annehmen oder ablehnen, darf
aber keine Abänderungen vornehmen. Wenn das Abgeordnetenhaus seine Genehmigung
Stsein. und auch die Sanktion der Krone hinzutritt, erfolgt die Publikation durch die
Gesetzsammlung.
Das Staatshaushaltsetatsgesetz besteht aus dem den Staatshaushaltsetat feststellenden
Gesete und dem als Anlage beigefügten Staatshaushaltsetat. Der dispositive Theil
des Gesetzes enthält zunächst die Feststellung des Etats, wofür sich eine stehende Formel
gebildet ber. Dieselbe lautet — nach dem Etatsgesetz vom 1. Mai 1894, Ges.-Samml.
S. 47 —:
Der diesem Gesetze als Anlage beigefügte Staatshaushaltsetat für das Jahr
vom 1. April 1894/95 wird
in Einnahme
auf 1935958 413 Mark und
in Ausgabe
auf 1935 958 413 Mark
nämlich
auf 1878101 432 Mark an fortdauernden und
auf 57856981 Mark an einmaligen und außerordentlichen Ausgaben
festgesetzt.
Der Staatshaushaltsetat bildet somit einen integrirenden Theil des Etatsgesetzes.
Dieses enthält regelmäßig noch anderweitige Bestimmungen. Ist es erst nach Beginn
des Etatsjahres zu Stande gekommen und dieser Fall nicht durch ein besonderes Gesetz
vorgesehen, so muß es eine Bestimmung enthalten, durch welche die bis zu seiner Pu-
blikation innerhalb der Grenzen des Staatshaushaltsetats geleisteten Ausgaben nach-
träglich genehmigt werden; vergl. z. B. § 3 des Gesetzes, betreffend die Feststellung des
Staatshaushaltsetats für das Jahr vom 1. April 1891/92, vom 24. Juni 1891, Ges.=
Samml. S. 143. Ferner ist der Umstand zu berücksichtigen, daß die Staatsausgaben
regelmäßig früher fällig zu sein beginnen als die Staatseinnahmen. Daher wird der
Finanzminister durch das Etatsgesetz gewöhnlich ermächtigt, zur vorübergehenden Ver-
stärkung des Betriebsfonds der Generalstaatskasse verzinsliche, vor einem bestimmten
Zeitpunkt verfallende, nach den §§ 4, 6 des Gesetzes, betreffend den außerordentlichen
Geldbedarf der Militär= und Marineverwaltung, vom 28. September 1866 (Ges.-Samml.
S. 607) zu behandelnde Schatzanweisungen auszugeben, also eine kurzzeitige Anleihe
(sog. schwebende Schuld) aufzunehmen. Wenn sich bei Feststellung der Einnahmen und
Ausgaben ergiebt, daß die letzteren größer sind als die ersteren, daß also ein Deficit
vorliegt, so sind gleichzeitig mit der Feststellung des Etats die Mittel zur Deckung
dieses Deficits zu beschaffen, also, wenn dies nicht durch Veräußerung von Staatseigen-
thum möglich ist, die Aufnahme einer Anleihe oder die Erhebung neuer Steuern und
Abgaben zu beschließen. Dies kann nach Art. 100, 103 nur auf gesetzlichem Wege und
zwar entweder durch besonderes Gesetz oder, wie bezüglich der Steuern und Abgaben
Art. 100 ausdrücklich zuläßt, durch das Etatsgesetz geschehen. Der letztere Weg ist je-
doch zum Zwecke der Aufnahme einer Anleihe bisher erst einmal betreten, nämlich in
dem Etatsgesetze vom 9. Februar 1878 (Ges.-Samml. S. 21), und empfiehlt sich des-
halb nicht, weil das Herrenhaus nur bezüglich des Staatshaushaltsetats auf Annahme
oder Ablehnung im Ganzen beschränkt ist, aber bezüglich eines Finanzgesetzes, also eines
Anleihe= oder Stenergesetes, abgesehen von der Prioritckt der Vorlegung (Art. 62
Abs. 3), als völlig gleichberechtigter Faktor dasteht. Dasselbe gilt von der Ueber-
nahme von Garantien zu Lasten des Staates (Art. 103). Immerhin erscheint das die
Deckung des Deficits anordnende Gesetz herkömmlicher Weise jedenfalls äußerlich als An-
nex des eigentlichen Etatsgesetzes. Es wird nämlich betitelt als „Gesetz, betreffend die
Ergänzung der Einnahmen in dem Staatshaushaltsetat für das Jahr“, es verordnet
die Aufnahme einer Anleihe „zur Bereitstellung des Geldbetrages, welcher zur Er-
gänzung der Einnahmen in dem Staatshaushaltsetat für das Jahr vom. er
forderlich und unter Kapitel Titel . der Einnahme in dem Etat der allge-
meinen Finanzverwaltung in Höhe von . . . .. in Ansatz gebracht ist“, und es findet
auch wohl (siehe z. B. das Gesetz vom 30. März 1885, Ges.-Samml. S. 71) in der
Gesetzsammlung seinen Platz zwischen dem Etatsgesetz und dem diesem als Anlage bei-
gefügten Staatshaushaltsetat. — Das Etatsgesetz enthält bisweilen noch andere An-