I. Berfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 99. 297
1714. Zur Zeit des absoluten Staates ein Organ des Königs, hat sie seit Emanation
der Verfassungsurkunde, welche dem Landtage eine mitentscheidende Stimme bei der
Aufstellung des Staatshaushaltsetats einräumt und die nachträgliche Kontrole der ge-
sammten Finanzverwaltung überträgt (Art. 104), die Aufgabe, nicht bloß für die Zwecke
der Staatsregierung, sondern auch für die Zwecke des Landtages wirksam zu sein, indem
sie in beiden Beziehungen die Staatsrechnungen darauf hin prüft, ob die Verwaltung
des Staatsvermögens und der Staatseinkünfte ordnungsmäßig geführt oder eine Ver-
tretung aus derselben begründet ist.
Für ihre Einrichtung, ihre Befugnisse und ihr geschäftliches Verfahren sind
maßgebend
1. Gesetz, betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der Oberrechnungskammer,
vom 27. März 1872 (Ges.-Samml. S. 278);
2. Allerhöchster Erlaß vom 22. September 1873, betreffend das Regulativ über den
Geschäftsgang bei der Oberrechnungskammer (Ges.-Samml. S. 458);
3. Allerhöchster Erlaß, betreffend eine Aenderung des Regulativs über den Geschäfts-
gang bei der Oberrechnungskammer (Ges.-Samml. S. 130):
4. Instruktion für die Oberrechnungskammer vom 18. Dezember 1824 (abgedruckt in
den Anlagen zu den Stenogr. Berichten des Abgeordnetenhauses 1871/72 S. 868
bis 878, auch auszugsweise in v. Kamptz, Annalen der Preußischen inneren Staats-
verwaltung Bd. IX. S. 2).
Unter dem Namen Rechnungshof des Deutschen Reiches kontrolirt sie auch den
Staatshaushalt des Deutschen Reiches und den von Elsaß-Lothringen.
Die Oberrechnungskammer hat die Kontrole des gesammten Staatshaushalts durch
Prüfung und Feststellung der Rechnungen über Einnahmen und Ausgaben von Staats-
geldern, über Zugang und Abgang von Staatseigenthum und über die Verwaltung der
Staatsschulden zu führen. Sie besteht aus einem Präsidenten und der erforderlichen
Anzahl von Direktoren und Räthen. Dieselben werden von dem Könige ernannt, der
Präsident auf den Vorschlag des Staatsministeriums, die Direktoren und Räthe auf
den Vorschlag des Präsidenten der Oberrechnungskammer unter Gegenzeichnung des
Vorsitzenden des Staatsministeriums. Vater und Sohn, Schwiegervater und Schwieger-
sohn, Brüder und Schwäger dürfen nicht zugleich Mitglieder der Oberrechnungskammer
sein. Nebenämter oder mit Remuneration verbundene Nebenbeschäftigungen dürfen den
Mitgliedern weder übertragen noch von ihnen übernommen werden; ebensowenig können
sie einem der beiden Häuser des Landtages angehören (Art. 74 Abs. 2, oben S. 224).
Sie sind in Bezug auf Dienstvergehen und Disziplin den richterlichen Beamten gleich-
gestellt; das zuständige Disziplinargericht ist der große Disziplinarsenat des Kammer-
gerichts. Für eine Reihe wichtiger Angelegenheiten ist kollegialische Berathung und
Beschlußfassung vorgeschrieben. Das Geschäftsjahr beginnt mit dem 1. Oktober und
endigt mit dem 30. September.
Die Oberrechnungskammer ist dem Könige unmittelbar untergeordnet und den
Ministern gegenüber selbstständig. Sie ist berechtigt, von den Behörden jede bei Prü-
fung der Rechnungen und Nachweisungen für erforderlich erachtete Auskunft, sowie die
Einsendung der bezüglichen Bücher und Schriftstücke, auch von den Provinzial- und den
denselben untergeordneten Behörden die Einsendung von Akten zu verlangen. Der
Präsident kann Bedenken und Erinnerungen gegen die Rechnungen durch Kommissarien
an Ort und Stelle erörtern lassen, zur Informationseinziehung über die Einzelheiten
der Verwaltung Kommissarien abordnen und außerordentliche Kassen= und Magazin-
revisionen veranlassen, muß aber dem betreffenden Verwaltungschef davon vorherige
Mittheilung machen, damit dieser sich an den Verhandlungen durch einen seinerseits ab-
zuordnenden Kommissarius betheiligen kann. Alle Verfügungen der obersten Staatsbe-
behörden, durch welche in Beziehung auf Einnahmen oder Ausgaben des Staats eine
allgemeine Vorschrift gegeben, oder eine schon bestehende abgeändert oder erläutert wird,
sind sogleich bei ihrem Erlaß der Oberrechnungskammer mitzutheilen. Allgemeine An-
ordnungen der Behörden über die Kassenverwaltung und Buchführung sind schon vor
ihrem Erlaß zur Kenntniß der Oberrechnungskammer zu bringen, damit diese auf
etwaige Bedenken, welche sich auf ihrem Standpunkte ergeben, aufmerksam machen kann.
Von allen auf die Rechnungslegung bezüglichen Beschlüssen eines der beiden Häuser des
Landtages ist ihr zur Kenntnißnahme Mittheilung zu machen. Sie stellt die Termine
zur Einsendung der Rechnungen und die Fristen zur Erledigung der dagegen aufgestellten
Erinnerungen fest. Die Provinzial- und die diesen gleichstehenden und untergebenen
Behörden sind ihr in allen Angelegenheiten, welche zum Ressort der Oberrechnungs-