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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 99.
kammer gehören, untergeordnet. Sie ist befugt, ihren Verfügungen nöthigenfalls durch
Strafbefehle, innerhalb der für die obersten Verwaltungsbehörden gesetzlich bestimmten
Grenzen, die schuldige Folgeleistung zu sichern, auch etwa vorkommende Unangemessen-
heiten in Erledigung ihrer Erlasse zu rügen. Gegenüber den Centralbehörden iD sie auf
die Beschwerde beim König beschränkt.
Der Revision durch die Oberrechnungskammer unterliegen zuvörderst alle diejenigen
Rechnungen, durch welche die Ausführung des festgestellten Staatshaushaltsetats, sowie
der sämmtlichen Spezialetats und sonstigen Unterlagen, auf welchen derselbe beruht, dar-
gethan wird. Dahin gehören die Rechnungen der Staatsbehörden, Staatsbetriebsan-
stalten und staatlichen Institute, einschließlich der Seehandlung, über Einnahmen und
Ausgaben. Ferner, soweit nicht in einzelnen Fällen statmtariste oder vertragsmäßige
Bestimmungen eine Ausnahme begründen, die Rechnungen aller derjenigen nicht staat-
lichen Institute, welche aus Staatsmitteln unterhalten werden, oder veränderliche Zu-
schüsse nach Maßgabe des Bedürfnisses aus der Staatskasse erhalten oder mit Gewähr-
leistung des Staates verwaltet werden, sobald und solange diese Garantie verwirklicht
werden soll. Weiter gelangen zur Revision der Oberrechnungskammer die Rechnungen
der Staatsbehörden, Staatsbetriebsanstalten und staatlichen Instunte über Naturalien,
Vorräthe, Materialien und überhaupt das gesammte nicht im Gelde bestehende Eigen-
thum des Staates. Ebenso die Rechnungen derjenigen Institute, Anstalten, Stiftungen
und Fonds, welche lediglich von Staatsbehörden oder durch von Staatswegen angestellte
Beamte, ohne Konkurrenz der Interessenten bei der Rechnungsabnahme und Quittirung,
verwaltet werden, gleichviel, ob sie Zuschüsse vom Staate erhalten oder nicht. Aus-
enommen von der Revision sind allein die Rechnungen über die in dem Etat für das
ureau des Staatsministeriums zu allgemeinen politischen Zwecken und in dem Etat
des Ministeriums des Innern zu geheimen Ausgaben im Interesse der Polizei ausge-
setzten Fonds. Die Rechnungen der Kasse der Oberrechnungskammer selbst werden von
dem Präsidenten revidirt und mit den Revisionsbemerkungen den beiden Häusern des
Landtages zur Prüfung und Decharge vorgelegt.
Die Revision ist außer der Rechnungsjustifikation noch besonders darauf zu
richten, ob bei der Erwerbung, der Benutzung und der Veräußerung von Staatseigen-
thum und bei der Erhebung und Verwendung der Staatseinkünfte, Abgaben und
Steuern, nach den bestehenden Gesetzen und Vorschriften, unter genauer Beobachtung der
maßgebenden Verwaltungsgrundsätze verfahren worden ist, sowie ob und wo nach den
aus den Rechnungen zu beurtheilenden Ergebnissen der Verwaltung zur Beförderung
des Staatszweckes Abänderungen nöthig oder rathsam sind.
Haben die rechnungsführenden Beamten ihren Verbindlichkeiten vollständig genügt
und die aufgestellten Erinnerungen erledigt, so ertheilt die Oberrechnungskammer ihnen
eine Decharge mit den in den §8 146 bis 153 A. L. R. I. 14 einer Quittung beigelegten
Wirkungen. Stellen sich dagegen Vertretungen des Rechnungsführers oder anderer Be-
amten heraus, deren Deckung durch die Notatenbeantwortung nicht nachgewiesen wird,
so hat die Oberrechnungskammer die weitere Verfolgung, welche von der vorgesetzten
Behörde zu betreiben ist, nöthigenfalls durch Eintragung in das Soll der Einnahmen
anzuordnen.
Nach Art. 104 der Verfassungsurkunde hat die Oberrechnungskammer über die
von der Staatsregierung dem Landtage vorzulegende allgemeine Rechnung über den
Staatshaushalt ihre Bemerkungen aufzustellen.
Nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres hat sie dem Könige einen Bericht über
die Ergebnisse ihrer Geschäftsthätigkeit zu erstatten und demselben zugleich ihre gutacht-
lichen Vorschläge darüber zu unterbreiten, ob und inwieweit nach den aus den Rechnungen
sich ergebenden Resultaten der Verwaltung zur Beförderung der Staatszwecke im Wege
der Gesetzgebung oder der Verordnung zu treffende Bestimmungen nothwendig oder
rathsam erscheinen.
..n Art. 99 bestimmt ohne Unterscheidung, daß alle Einnahmen und Ausgaben des Staates
veranschlagt und auf den Etat gebracht werden sollen. Diese Bestimmung gilt also
auch für diejenigen Ausgaben, welche durch Gesetz — die Verfassungsurkunde oder ein
anderes Gesetz — angeordnet sind, gilt für diese auch dann, wenn sie der Summe nach
bis auf den letzten Pennig feststehen.
Die Veranschlagung und Etatisirung soll für jedes Jahr erfolgen, der Etat
jährlich durch ein Gesetz festgestellt werden. Das Gesetz, betreffend die Verlegung des
Etatsjahres und die Selsscheang des Staatshaushaltsetats für das Vierteliahr vom
1. Januar bis 31. März 1877, vom 29. Juni 1876 (Ges.-Samml. S. 177) verordnet in