Einleitung. 8 1. 13
zur Berathung eines Gesetzes über Provinzialstände zu bilden, dagegen von
dem Erlaß einer Gesammtstaatsverfassung vorläufig abzusehen. Hardenberg,
der von Anfang Oktober 1820 bis 24. April 1821 von Berlin abwesend ge-
wesen war, erhielt erst durch Kabinetsordre vom 3. Mai 1821 von dem Da-
sein und den Arbeiten der Kommission Kenntniß und antwortete in einem Gegen-
bericht vom 24. Mai. Kein Zeitpunkt könne, mahnte er, „ungeeignet erscheinen,
um eine Verfassung aus freiem Willen zu geben“. Die Verordnung vom 22. Mai
1815 „müsse als eine öffentlich ausgesprochene königliche Zusage aufrecht er-
halten werden“; daraus folge nothwendig die Verkündigung der verheißenen
Verfassungsurkunde und die Einberufung der allgemeinen Stände. „Dadurch
allein, daß diese Urkunde das Ganze der königlichen Gnade ausspreche, wird
der in dem Bericht der Kommission angegebene Zweck: Die Beruhigung der
Gemüther, die Zufriedenheit der Besten, die Zurechtweisung der Schlechten —
erreicht werden; nicht wenn man einen wesentlichen Theil der Verfassung in
Ungewißheit lassen wollte.“ Indem er ferner daran erinnerte, daß die viel-
leicht nothwendige Aufnahme neuer Schulden ohne die Zustimmung der Reichs-
stände nicht mehr möglich sei, schlug er vor, einen neuen Verfassungsausschuß
zu bilden, der unter dem Vorsitze des Kronprinzen die Kommunalgesetze end-
gültig festsetzen und sodann unter Mitwirkung von Notabeln aus den alt-
ständischen Territorien die Provinzial= und die Reichsverfassung zum Abschluß
bringen solle. Auf diesen Hardenberg'schen Bericht antwortete die Kommission
mit einem Gegenbericht vom 28. Mai, welchem eine Uebersicht der Streit-
punkte beigefügt war. Danach empfahl sie eine zeitgemäße Wiederherstellung
der landständischen, d. h. der „älteren und früheren Verfassung in den ver-
schiedenen Provinzen“, nicht aber eine „Verfassung im engeren und gewöhn-
lichen Sinne und noch weniger eine schriftliche Urkunde.“ In ihrem Gegen-
berichte sprach sie sich über eine Gesammtstaats-Verfassung in folgender
Weise aus:
Wir halten es für unmöglich, daß eine solche Urkunde abgefaßt
werden könne, welche a) sämmtliche Provinzialverfassungen, die durch Mo-
difikation der früheren erst organisirt werden sollen, zweckmäßig umfaßte,
b) die über Reichsstände (welche aus den Provinzialständen sich erst ent-
wickeln sollen) die Organisation und Attribute im Voraus festsetze, c) und
Reichsfundamentalgrundsätze ausspreche, — ohne zu den mannigfaltigsten
Ansprüchen, Deutungen, Unzufriedenheiten und Verlegenheiten Anlaß zu
geben und gerade dem Zweck, den man hat, entgegenzuwirken. Denn man
muß sich nicht mit dem Wahne täuschen, als könne man zu jetziger Zeit
das Publikum mit dem Scheinbilde einer sogenannten Konstitution täuschen.
Die Erfahrung der neuesten Zeit beweist, daß bei den Verhandlungen mit
den Repräsentanten bald der lebhafteste Kampf und die regsten Irrungen
zwischen diesen und den Regierungen über den Umfang und die Deutung
der in der Verfassungsurkunde verliehenen Rechte entstehen. Es bleibt da,
wo eine Verfassungsurkunde erlassen werden soll, nur die offene Wahl,
entweder das reine monarchische Prinzip festzuhalten und daher sich auf
berathende Landstände zu beschränken, oder ihr das demokratische Prinzip
wirklich beizufügen. Auf Letzteres geht der Staatskanzler so wenig als
wir ein, und es kann kein treuer und verständiger Beamter und Unterthan
bei der Ungewißheit der Folgen darauf antragen. Dann bedarf es aber
auch keiner Verfassungsurkunde. Auch dazu ist sie nicht nöthig, daß Ew.