Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 103. 311 
des Gesetzes, betreffend die Konsolidation Preußischer Staatsanleihen, vom 19. Dezember 
1869 (Ges.-Samml. S. 1197) zur Anwendung kommen. Die Erhebung der Zinsen er- 
folgt gegen Koupons, welche mit den Schuldverschreibungen in bestimmter Anzahl — 
von zehn bei den konsolidirten, von vier bei den anderen Schulden — ausgegeben und 
gegen Einlieferung des Talon erneuert werden. Die Koupons werden von allen öffent- 
lichen Kassen eingelöst. Die Amortisirung verlorener oder vernichteter Koupons ist 
nicht zulässig. Nicht abgehobene Zinsen verjähren in vier Jahren, von der Fälligkeit 
an gerechnet, zum Vortheil der allgemeinen Staatsfonds. Der Gläubiger kann nicht 
kündigen. Die Tilgung Seitens des Staates ist in verschiedener Weise geregelt. Durch 
das erwähnte Gesetz vom 19. Dezember 1869 sind siebzehn verschiedene Anleihen in 
eine „konsolidirte Preußische Staatsanleihe“ umgewandelt, mit welcher alle späteren An- 
leihen vereinigt sind. Die nicht unter das Gesetz fallenden Schulden — am 1. April 
1892 noch 83000 000 Mark — werden nach einem Tilgungsbetrage von 1% p. A. der 
ursprünglichen Schuld getilgt. Die Tilgung der konsolidirten Anleihe erfolgt, sobald 
und soweit etatsmäßige Ueberschüsse der Staatseinnahmen über die Staatsausgaben sich ergeben 
und soweit über dieselben im Staatshaushaltsetat nicht anderweit verfügt wird. Sie geschieht 
in der Art, daß die dazu bestimmten Mittel zum Ankauf eines entsprechenden Betrages dieser 
sog. Preußischen Konsols verwendet werden. Der Staat hat sich aber das Recht vor- 
behalten, vom 1. Januar 1885 ab die in Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen zur 
Einlösung gegen Baarzahlung des Kapitalbetrages binnen einer alsdann gesetzlich fest- 
zusetzenden Frist zu kündigen, und hat, um eine Reduktion der Zinsen von 4½ auf 
4 Prozent zu ermöglichen, von diesem Kündigungsrecht durch das Gesetz, betreffend die 
Kündigung und Umwandlung der 4 prozentigen konsolidirten Staatsanleihe, vom 
4. März 1885 (Ges.-Samml. S. 55) Gebrauch gemacht. Dies ist völlig korrekt gewesen. 
Denn wenn auch jede sonstige willkürliche Herabsetzung des Zinsfußes, Zahlung der 
Zinsen in verschlechterten Münzsorten oder in uneinlösbarem Papiergelde durchaus 
widerrechtlich ist, so ist es doch andererseits rechtlich zulässig und kann lediglich aus 
volkswirthschaftlichen Gründen verkehrt sein, daß der Staat gegen das Anerbieten des 
auszuzahlenden Nominalbetrages denjenigen Gläubigern gegenüber, welche dieses An- 
erbieten nicht annehmen, eine Zinsreduktion vornimmt. Dagegen ist es streitig gewesen, 
ob, wie zur Erhöhung des Zinsfußes, so auch zur Erniedrigung desselben, also zu jeder 
Konvertirung einer Staatsanleihe die vorherige Genehmigung des Landtages erforderlich 
ist. Die Staatsregierung hat zwar die Nothwendigkeit der nachträglichen Genehmigung 
zugegeben, weil die Zustimmung des Landtages zur Auszahlung der Konvertirungs- 
prämie erforderlich sei, hat dagegen die Nothwendigkeit einer vorgängigen Genehmigung 
bestritten und behauptet, daß der Landtag die nachträgliche Genehmigung nicht ver- 
weigern dürfe, wenn der Staatskasse ein Vortheil durch die gesammte Operation er- 
wachse. Das Abgeordnetenhaus hat wiederholt seine vorgängige Genehmigung für er- 
forderlich erklärt. Denn nach Art. 99 der Verfassungsurkunde müßten alle Staatsaus- 
gaben im Voraus in den Etat ausgenommen und nach § 7 des Gesetzes vom 24. Fe- 
bruar 1850 (unten Anm. (.) die Vedürfnisse der Hauptverwaltung der Staatsschulden 
für jedes Jahr im Voraus im Etat festgesetzt werden; es handele sich nicht um un- 
vorhergesehene Ausgaben, sondern um solche, zu denen ganz besondere Ueberlegung der 
besonderen Verhältnisse nach allen Seiten ersorderlic sei; endlich könnten durch solche 
Operationen sehr erhebliche Belastungen der Staatskasse herbeigeführt werden. Diesen 
Gründen haben sich v. Rönne (Bd. I. § 123 S. 665) und v. Schulze (Bd. II. § 208 
S. 264) angeschlossen und die vorgängige Genehmigung für nothwendig erklärt. Auch 
die Staatsregierung hat durch das Gesetz vom 4. März 1885 bezüglich der konsolidirten 
und durch das Gesetz, betreffend eine Erweiterung der dem Finanzminister ertheilten 
Ermächtigungen in Bezug auf die Anleihen verstaatlichter Eisenbahnen, vom 8. Mai 1885 
(Ges.-Samml. S. 118) bezüglich der — zu konsolidirenden — Anleihen verstaatlichter 
Eisenbahnen der Ansicht des Abgeordnetenhauses nachgegeben. Der nach der bestehenden 
Gesetgebung wohl kaum mit Sicherheit zu entscheidende Streit ist somit für die konso- 
lidirten Anleihen, also für den weitaus größten Theil der Staatsschuld für erledigt 
zu erachten. 
Die Ausgabe von Papiergeld ist lediglich die Kontrahirung einer — unverzins- 
lichen — Staatsschuld, untersteht somit den Bestimmungen des Art. 103. Nach § 8 
des Gesetzes, betreffend die Ausgabe von Reichskassenscheinen, vom 30. April 1874 
(Reichs-Gesetzbl. S. 40) ist zur Ausgabe von Papiergeld außerdem die Genehmigung des 
Reichs erforderlich. Ebenso dürfen nach § 1 des Gesetzes, betreffend die Inhaberpapiere mit 
Prämien, vom 8. Juni 1871 (Reichs-Gesetzbl. S. 210) nur auf Grund eines Reichs-
	        
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