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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 106.
samkeit nach dieser Bestimmung zu beurtheilen; enthält aber der verkündete Erlaß
eine solche Zeitbestimmung nicht, so beginnt dessen Wirksamkeit mit dem achten Tage
nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Blattes,
welches den Erlaß verkündet, ausgegeben worden ist.
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Eine Anzeige von jedem in Folge dieses Gesetzes verkündeten Erlasse ist in
die Gesetzsammlung aufzunehmen.
Zur Ausführung dieses Gesetzes sind zwei Reskripte bezw. des Ministers des
Innern vom 10. April 1872 und des Handelsministers vom 12. September 1872 er-
gangen. Alsdann hat das Gesetz, betreffend den Beginn der verbindlichen
Kraft der durch die Gesetzsammlung verkündeten Erlasse, vom 16. Februar
1874 (Ges.-Samml. S. 23) verordnet:
81.
Ist in einem durch die Gesetzsammlung verkündeten Erlasse der Zeitpunkt,
mit welchem derselbe in Kraft treten soll. nicht bestimmt, so beginnt dessen ver-
bindliche Kraft in dem ganzen Umfange Unserer Monarchie mit dem vierzehnten
Tage nach dem Ablaufe desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück der Gesetz-
sammlung in Berlin ausgegeben worden ist.
Die entgegenstehenden Bestimmungen des Gesetzes vom 3. April 1846 (Gesetz-
Samml. S. 151), der Verordnung vom 1. Dezember 1866 (Gesetz-Samml. S. 743)
und der Verordnung vom 29. Jannar 1867 (Gesetz-Samml. S. 139) werden
aufgehoben.
8 2.
Das gegenwärtige Gesetz tritt mit dem 1. März 1874 in Kraft.
Nach dem Gesetze, betreffend die Verpflichtung zum Halten der Gesetzsammlung
und der Amtsblätter, vom 10. März 1873 (Ges. Samml. S. 41) sind die Gemeinden
und selbstständigen Gutsbezirke zum Halten der Gesetzsammlung und des Amteblattes
desjenigen Bezirkes, in welchem sie belegen sind, verpflichtet, jedoch können die Regierungs-
präsidenten Gutsbezirke und kleinere Gemeinden von dieser Verpflichtung auf Zeit ent-
binden. Den Staatsbehörden werden Gesetzsammlungen und Amtsblatt von Amtswegen
geliefert, mit Ausnahme des Registers zum Amtsblatte, welches ausdrücklich bestellt und
bezahlt werden muß.
In der Gesetzsammlung ist auf der ersten Seite der Nummer der Tag vermerkt,
an welchem die betreffende Nummer zu Berlin ausgegeben ist. Die einzelnen Nummern
(Stücke) der Amtsblätter sind nach dem Tage der Ausgabe datirt.
Die drei Gesetze vom 10. April 1872, 16. Februar 1874 und 10. März 1873
sind durch § 11 des Gesetzes, betreffend die Vereinigung des Herzogthums Lauenburg
mit der Preußischen Monarchie, vom 23. Juni 1876 (Ges.-Samml. S. 172) in den
Kreis Herzogthum Lauenburg und durch § 3 Abs. 2 des Gesetzes, betreffend die Ver-
einigung der Insel Helgoland mit der Preußischen Monarchie, vom 18. Februar 1891
(Ges.-Samml. S. 11) in Helgoland eingeführt, so daß jetzt diese Materie für die ganze
Monarchie einheitlich geregelt ist.
B. Die Bestimmung des Abs. 1 knüpft die Verbindlichkeit der Gesetze und Verordnungen
lediglich daran, daß dieselben in der vom Gesetze vorgeschriebenen Form bekannt gemacht
worden sind. Absatz 2 geht einen Schritt weiter, indem er die Prüfung der Rechts-
giltigkeit gehörig verkündeter Königlicher Verordnungen den Behörden entzieht und den
Kammern überweist. Wie v. Rönne (Bd. I. § 95 S. 106 Anm. 3) zutreffend bemerkt,
versteht sich dieses Verbot bei Gesetzen ganz von selbst, weil dasselbe hier bereits von
den Kammern ausgeübt worden ist und die Behörden in dieser Beziehung nicht mehr
Rechte haben können als die Kammern. Somit darf die Prüfung der Behörden nicht
in das Materielle des Gesetzes oder der Verordnung eingehen.
Dies gilt jedoch nicht unbedingt.
Zunächst hat die Gesetzgebung des früheren Norddeutschen Bundes und ebenmäßig
die des jetzigen Deutschen Reiches eingegriffen, indem Art. 2 der am 1. Juli 1867 in
Kraft getretenen Verfassung des Norddentschen Bundes bezw. der am 4. Mai 1871 in
Kraft getretenen Verfassung des Deutschen Reichs bestimmt, daß die Bundes- bezw.
Reichsgesetze den Landesgesetzen vorgehen. Das Landesrecht darf sich nicht mit dem
Bundes-, dem Reichsrecht in Widerspruch setzen, und zwar liegt ein Widerspruch nicht
nur dann vor, wenn das Reichsgesetz eine andere Rechtsvorschrift aufstellt als das
Landesgesetz, sondern auch in dem Falle, wenn das Reich den Erlaß einer landes-
gesetzlichen Vorschrift ausdrücklich oder stillschweigend untersagt hat. Jeder Preuße, er