16 Einleitung. § 1.
Landtagen existirte nicht. Die letzte Kommission, welche die provinzial-
ständischen Gesetze entworfen hatte, blieb in etwas veränderter Zusammen-
setzung bis zum Herbst 1847 als „Immediatkommission für die ständischen An-
gelegenheiten“ bestehen, um alle Vorlagen für die Stände, alle Landtagsab-
schiede und Wahlprüfungen zu begutachten.
Die Provinziallandtage waren in ihrer auf die Grundbesitzer mit einem
Ueberwiegen des adeligen Grundbesitzes beschränkten Zusammensetzung keine
wahre Vertretung der Bevölkerung und hatten zudem von vorn herein
nur eine beschränkte provinzielle Bedeutung. Die Staatsregierung wies aber
jeden Versuch zu einem selbstständigeren Auftreten als anmaßende Ueberschrei-
tung der zugestandenen Befugnisse zurück, zumal sie den Beschlüssen der Wie-
ner Ministerkonferenzen vom 12. Juni 1834 beitrat, durch welche die be-
theiligten Regierungen sich verpflichteten, keine mit den aus Souveränitätsrechten
unvereinbare Erweiterung der ständischen Rechte zuzugestehen. Der König selbst
war ein entschiedener Gegner einer allgemeinen Landesvertretung geworden,
und ihm hierin offen zu opponiren, wurde umsomehr für der pflichtmäßigen
Pietät widerstrebend erachtet, als die Staatsverwaltung eine musterhafte und
ein allgemeines Verlangen nach einer konstitutionellen Verfassung noch nicht
laut geworden war. Friedrich Wilhelm III. war entschlossen, sein wiederholt
gegebenes Versprechen einer Verfassung mit Reichsständen nicht einzulösen,
und gedachte auch seine Nachfolger in der Krone an dem Erlaß einer solchen
Gesammtstaatsverfassung zu hindern. Im Jahre 1838 entwarf er eine Art
staatsrechtlichen Testaments, welches, was sein Tod verhinderte, zu einem
Hausgesetz erhoben werden sollte. Meine Unterthanen, so hieß es in diesen
Aufzeichnungen,
Meine Unterthanen besitzen in der geregelten Staatsverwaltung, in dem
Staatsrathe, in den Provinzialständen, in der Städteordnung, in den
Kommunalverfassungen die Garantie für die ungestörte Ordnung und Ge-
setzlichkeit; ich habe ihnen diese Institutionen aus freiem Willen ertheilt
und die Gewalt und Macht des Throns unbeschränkt erhalten.
Auf dieser Unbeschränktheit der Königlichen Macht beruht vorzugs-
weise die Stellung, welche Preußen in dem allgemeinen Staatensystem
einnimmt, und da eine Aenderung dieses Grundpfeilers der Monarchie
letztere selbst nachtheilig berühren und wankend machen würde, so bestimme
ich hierdurch, daß kein künftiger Regent befugt sein soll, ohne Zuziehung
sämmtlicher Agnaten in dem Königlichen Hause eine Aenderung oder Ein-
richtung zu treffen, wodurch eine Veränderung in der jetzigen Verfassung
des Staats, namentlich in Beziehung auf die ständischen Verhältnisse
und die Beschränkung der Königlichen Macht bewirkt oder begründet
werden könnte.
In der Verordnung vom Jahre 1820 betreffend das Staatsschulden-
wesen habe ich festgesetzt, daß, wenn der Staat künftighin zu seiner Er-
haltung oder zur Förderung des allgemeinen Besten in die Nothwendigkeit
kommen sollte, zur Aufnahme eines neuen Darlehns zu schreiten, solches
nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen Reichsstände
geschehen könne. Sollte, so lange ich die Regierung führe, in diesem
einen nur erwähnten Falle die Nothwendigkeit eintreten, eine Reichs-
ständische Versammlung zu diesem Behufe zusammenzurufen, so werde ich