Full text: Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850.

16 Einleitung. § 1. 
Landtagen existirte nicht. Die letzte Kommission, welche die provinzial- 
ständischen Gesetze entworfen hatte, blieb in etwas veränderter Zusammen- 
setzung bis zum Herbst 1847 als „Immediatkommission für die ständischen An- 
gelegenheiten“ bestehen, um alle Vorlagen für die Stände, alle Landtagsab- 
schiede und Wahlprüfungen zu begutachten. 
Die Provinziallandtage waren in ihrer auf die Grundbesitzer mit einem 
Ueberwiegen des adeligen Grundbesitzes beschränkten Zusammensetzung keine 
wahre Vertretung der Bevölkerung und hatten zudem von vorn herein 
nur eine beschränkte provinzielle Bedeutung. Die Staatsregierung wies aber 
jeden Versuch zu einem selbstständigeren Auftreten als anmaßende Ueberschrei- 
tung der zugestandenen Befugnisse zurück, zumal sie den Beschlüssen der Wie- 
ner Ministerkonferenzen vom 12. Juni 1834 beitrat, durch welche die be- 
theiligten Regierungen sich verpflichteten, keine mit den aus Souveränitätsrechten 
unvereinbare Erweiterung der ständischen Rechte zuzugestehen. Der König selbst 
war ein entschiedener Gegner einer allgemeinen Landesvertretung geworden, 
und ihm hierin offen zu opponiren, wurde umsomehr für der pflichtmäßigen 
Pietät widerstrebend erachtet, als die Staatsverwaltung eine musterhafte und 
ein allgemeines Verlangen nach einer konstitutionellen Verfassung noch nicht 
laut geworden war. Friedrich Wilhelm III. war entschlossen, sein wiederholt 
gegebenes Versprechen einer Verfassung mit Reichsständen nicht einzulösen, 
und gedachte auch seine Nachfolger in der Krone an dem Erlaß einer solchen 
Gesammtstaatsverfassung zu hindern. Im Jahre 1838 entwarf er eine Art 
staatsrechtlichen Testaments, welches, was sein Tod verhinderte, zu einem 
Hausgesetz erhoben werden sollte. Meine Unterthanen, so hieß es in diesen 
Aufzeichnungen, 
Meine Unterthanen besitzen in der geregelten Staatsverwaltung, in dem 
Staatsrathe, in den Provinzialständen, in der Städteordnung, in den 
Kommunalverfassungen die Garantie für die ungestörte Ordnung und Ge- 
setzlichkeit; ich habe ihnen diese Institutionen aus freiem Willen ertheilt 
und die Gewalt und Macht des Throns unbeschränkt erhalten. 
Auf dieser Unbeschränktheit der Königlichen Macht beruht vorzugs- 
weise die Stellung, welche Preußen in dem allgemeinen Staatensystem 
einnimmt, und da eine Aenderung dieses Grundpfeilers der Monarchie 
letztere selbst nachtheilig berühren und wankend machen würde, so bestimme 
ich hierdurch, daß kein künftiger Regent befugt sein soll, ohne Zuziehung 
sämmtlicher Agnaten in dem Königlichen Hause eine Aenderung oder Ein- 
richtung zu treffen, wodurch eine Veränderung in der jetzigen Verfassung 
des Staats, namentlich in Beziehung auf die ständischen Verhältnisse 
und die Beschränkung der Königlichen Macht bewirkt oder begründet 
werden könnte. 
In der Verordnung vom Jahre 1820 betreffend das Staatsschulden- 
wesen habe ich festgesetzt, daß, wenn der Staat künftighin zu seiner Er- 
haltung oder zur Förderung des allgemeinen Besten in die Nothwendigkeit 
kommen sollte, zur Aufnahme eines neuen Darlehns zu schreiten, solches 
nur mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen Reichsstände 
geschehen könne. Sollte, so lange ich die Regierung führe, in diesem 
einen nur erwähnten Falle die Nothwendigkeit eintreten, eine Reichs- 
ständische Versammlung zu diesem Behufe zusammenzurufen, so werde ich
	        
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