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I. Verfassungsurkunde vom 31. Januar 1850. Art. 111.
allgemeinen Kenntniß gebracht werden soll, so ist dieses nicht als ein Essentiale der Ver-
kündigungsform anzusehen. Daß die Verkündigung bei Trommelschlag oder Trompeten-
schall in jeder Einzelgemeinde zu erfolgen habe, ist von dem Gesetz nicht vorgeschrieben.
Dagegen ist andererseits nicht jede irgendwo erfolgte derartige Verkündigung für aus-
reichend zu erachten, sondern nur die am Aufenthaltsorte des Kaisers stattgehabte; denn
da die Erklärung von dort ausgeht, so ist sie auch daselbst in der vorgeschriebenen Form
zu verkünden. Der Kaiserliche Erlaß bedarf nach Art. 17 der Reichsverfassung zu seiner
Giltigkeit der Gegenzeichnung des Reichskanzlers, welcher dadurch die Verantwortung
für den Erlaß übernimmt und ihn vor dem Reichstage auf Verlangen zu rechtfertigen hat.
Auch wenn der Kriegszustand nicht erklärt ist, kann nach § 16 des Gesetzes im Falle
des Krieges oder Aufruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit das
Staatsministerium die Art. 5, 6, 27, 28, 29, 30 und 36 — nicht Art. 71 — der Ver-
fassungsurkunde oder einzelne derselben zeit- und distriktweise außer Kraft setzen. Die
Formvorschriften für die Verkündigung des Kriegszustandes gelten hier nicht. Diese
Bestimmung ist von der Reichsgesetzgebung nicht berührt worden. Nach § 17 hat
das Staatsministerium hierüber dem Landtage sofort, bezw. bei seinem nächsten Zu-
sammentreten, Rechenschaft abzulegen, ohne daß, in Ermangelung eines Ministerver-
antwortlichkeitsgesetzes, der Landtag ein Mittel hat, die Minister, wenn er die Maßregel
für ungerechtfertigt hält, zur Verantwortung zu ziehen. Die Ansicht v. Rönne's (Bd. II.
§ 146 S. 210/211), daß, wie eine auf Grund des Art. 63 vorgenommene Oktroyirung
nur bis zur verweigerten Zustimmung einer Kammer giltig bleibe, dies noch vielmehr von
dem Falle gelten müsse, wo die Regierung sogar einen Theil der Verfassung suspendire,
findet, wie Arndt (Anm. 1 zu § 17 des Gesetzes, S. 313) treffend bemerkt, weder in
dem Gesetze, noch in Art. 111 eine Stütze. Das Staatsministerium muß dem Landtage
Rechenschaft ablegen, bedarf aber keiner nachträglichen Genehmigung, so daß es bei Ver-
weigerung solcher Genehmigung die Suspension der Verfassungsartikel sofort aufheben
müßte, geschweige daß die Suspension sogleich ohne Weiteres aufgehoben wäre. Letzteres
ist ja nicht einmal bei den Verordnungen mit Gesetzeskraft der Fall (Anmerk. A. 8 zu
Art. 63, oben S. 210). Die Ansicht v. Rönne's beruht auf der ausgesprochenen An-
nahme, daß die Erklärung des Belagerungszustandes, die Suspension einzelner Artikel der
Verfassungsurkunde dem Erlaß einer Verordnung mit Gesetzeskraft völlig analog sei.
Auch diese Annahme ist irrig. Denn das Recht, den Belagerungszustand zu verkünden
und gewisse staatsbürgerliche Grundrechte zu fuspendiren, ist lediglich als eine gesetzlich
im Voraus verordnete Ausdehnung der der vollziehenden Gewalt und der kriegerischen
Befehlshaberschaft zustehenden Kompetenzberechtigung, die Geltendmachung dieses Rechts
als ein Theil der Regierungsexekutive aufzufassen, an welcher dem Landtag kein An-
theil gebührt.
Das Gesetz ist durch die spätere Strafgesetzgebung und durch die Reichsverfassung
abgeändert, wird aber hier in seiner ursprünglichen Fassung mitgetheilt.
. 1. Reichsverfassung.
§ 68.
Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete be-
droht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlaß
eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer
solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten dafür die Vorschriften des Preußischen
Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetz-Samml. für 1851 S. 451 ff.).
2. Gesetz über das Paßwesen. Vom 12. Oktober 1867. (Bundes-Gesetzbl. d.
Nordd. Bundes S. 33.)
Wenn die Sicherheit des Bundes oder eines einzelnen Bundesstaates, oder
die öffentliche Ordnung durch Krieg, innere Unruhen oder sonstige Ereignisse be-
droht erscheint, kann die Paßpflichtigkeit überhaupt oder für einen bestimmten
Bezirk, oder zu Reisen aus und nach bestimmten Staaten des Auslandes, durch
Anordnung des Bundespräsidiums vorübergehend eingeführt werden.
Gesetz über die Presse. Vom 7. Mai 1874. (Reichs-Gesetzbl. S. 65.)
« §30Abs.3.
Die für Zeiten der Kriegsgefahr, des Krieges, des erklärten Kriegs- (Be-
lagerungs-) Zustandes oder innerer Unruhen (Aufruhrs) in Bezug auf die Presse
bestehenden besonderen gesetzlichen Bestimmungen bleiben auch diesem Gesetze gegen-
Über bis auf Weiteres in Rraft.