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I. Verfassungsurkunde v. 31. Januar 1850. Art. 111.
zustandes aufgenommen, oder in einer besonderen, unter der nämlichen Form be-
annt zu machenden (§ 3) Verordnung verkündet werden.
Die Suspension der erwähnten Artikel oder eines derselben ist nur für den
Lezirl zulässig, der in Belagerungszustand erklärt ist und nur für die Dauer des
Belagerungszustandes.
86.
Die Militärpersonen stehen während des Belagerungszustandes unter den
Gesetzen, welche für den Kriegszustand ertheilt sind. — Auch finden auf dieselben
die §8 8 und 9 dieser Verordnung Anwendung.
§ 7.
In den in Belagerungszustand erklärten Orten oder Distrikten hat der Be-
fehlshaber der Besatzung (in den Festungen der Kommandant) die höhere Militär-
gerichtsbarkeit über sämmtliche zur Besatzung gehörende Militärpersonen.
Auch steht ihm das Recht zu, die wider diese Personen ergehenden kriegs-
rechtlichen Erkenntnisse zu bestätigen. Ausgenommen hiervon sind nur in Friedens-
zeiten die Todesurtheile; diese unterliegen der Bestätigung des kommandirenden
Generals der Provinz.
Hinsichtlich der Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit verbleibt es bei den
Vorschriften des Militärstrafgesetzbuches.
Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte der vor-
sätzlichen Brandstiftung, der vorsätzlichen Verursachung einer Ueberschwemmung,
oder des Angriffs oder des Widerstandes gegen die bewaffnete Macht oder Abge-
ordnete der Civil- oder Militärbehörde in offener Gewalt und mit Waffen oder
gefährlichen Werkzeugen versehen sich schuldig macht, wird mit dem Tode bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann, statt der Todesstrafe, auf
zehn- bis zwanzigjährige Zuchthausstrafe erkannt werden.
* 9.
Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte
a) in Beziehung auf die Zahl, die Marschrichtung oder angeblichen Siege der
Feinde oder Aufrührer wissentlich falsche Gerüchte ausstreut oder verbreitet,
welche geeignet sind, die Civil- oder Militärbehörden hinsichtlich ihrer Maß-
regeln irrezuführen, oder
b) ein bei Erklärung des Belagerungszustandes oder während desselben vom Mi-
litärbefehlshaber im Interesse der öffentlichen Sicherheit erlassenes Verbot über-
tritt, oder zu solcher Uebertretung auffordert oder anreizt, oder
c) zu dem Verbrechen des Aufruhrs, der thätlichen Wibersehlichleig, der Befreiung
eines Gefangenen, oder zu andern § 8 vorgesehenen Verbrechen, wenn auch
ohne Ersolg. auffordert oder aureizt, oder
d) Personen des Soldatenstandes zu Verbrechen gegen die Subordination oder
Vergehungen gegen die militärische Zucht und Ordnung zu verleiten sucht,
soll, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Ge-
fängniß bis zu Einem Jahre bestraft werden.
10.
Wird unter Suspension des Artikels 7 der Verfassungsurkunde zur An-
ordnung von Kriegsgerichten geschritten, so gehört vor dieselben die Untersuchung
und Aburtheilung der Verbrechen des Hochverraths, des Landesverraths, des
Mordes, des Aufruhrs, der thätlichen Widersetzung, der Zerstörung von Eisenbahnen
und Telegraphen, der Befreiung von Gefangenen, der Menterei, des Raubes, der
Plünderung, der Erpressung, der Verleitung der Soldaten zur Untreue, und der in
den §§ 8 und 9 mit Strafe bedrohten Verbrechen und Vergehen, insofern alle genannten
Verbrechen und Vergehen nach der Erklärung und Bekanntmachung des Belagerungs-
zustandes begangen oder fortgesetzte Verbrechen sind.
Als Hochverrath und Landesverrath sind, bis zur rechtlichen Geltung eines
Strafgesetzbuchs für die ganze Monarchie, in dem Bezirke des Rheinischen Appel-
ratlen hen zu Cöln die Verbrechen und Vergehen wider die innere und äußere
Sicherheit des Staats (Art. 75 bis 108 des Rheinischen Strafgesetzbuchs) anzusehen.
Ist die Suspension des Art. 7 der Verfassungsurkunde nicht vom Staats-
ministerium erklärt, so bleibt in Friedenszeiten bei den von dem Kriegsgerichte